- Sommer 2011. Adolf Hitler erwacht auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Im tiefsten Frieden, unter Tausenden von Ausländern und Angela Merkel. 66 Jahre nach seinem vermeintlichen Ende strandet der Gröfaz in der Gegenwart und startet gegen jegliche Wahrscheinlichkeit eine neue Karriere - im Fernsehen. Dieser Hitler ist keine Witzfigur und gerade deshalb erschreckend real. Und das Land, auf das er trifft, ist es auch: zynisch, hemmungslos erfolgsgeil und auch trotz Jahrzehnten deutscher Demokratie vollkommen chancenlos gegenüber dem Demagogen und der Sucht nach Quoten, Klicks und "Gefällt mir"-Buttons. Eine Persiflage? Eine Satire? Polit-Comedy? All das und mehr: Timur Vermes' Romandebüt ist ein literarisches Kabinettstück erster Güte.
Die Thematik sagte mir nicht wirklich zu, deshalb landete es erst mal auf der Irgendwannleseiches-Liste. Irgendwann war dann gestern und heute. Zuvor habe ich aber einen Blick auf die Sterne bei Amazon geworfen: 1.153 Rezensionen und in der Summe 4,1 Sterne - kann also gar nicht so schlecht sein. Die Rezensionen selbst habe ich mir erspart, dafür aber noch kurz geschaut, was die einschlägigen Online-Medien so berichten:
Die Welt: "Er ist wieder da", die zwischen Schauermärchen und Satire angesiedelte Geschichte vom wiederauferstandenen Führer, ist Timur Vermes' erster Roman, und er geht ab – nicht wie Schmidts Katze. Sondern wie Blondi, Hitlers Schäferhund. So jedenfalls könnte man es sagen, wenn man wie der Autor keine Berührungsängste hat und Zynismen erst mal für nicht schädlich hält.
Süddeutsche.de: Die Polit-Satire "Er ist wieder da" von Timur Vermes hat die Bestseller-Listen erobert. An der Qualität des Romans kann das nicht liegen. In Deutschland hat sich eine seltsame Hitler-Fixierung herausgebildet, die schon fast etwas Manisches hat.
Stern: Vermes zwingt den Leser, sich zumindest gelegentlich mit diesem Hitler zu identifizieren. Das klingt brandgefährlich, zynisch und wie der neueste Auswuchs einer Hitler-Vermarktungsmaschine, die jedes Tabu bricht, um Auflage und Geld zu machen. Aber Vermes gibt sich Mühe, seine Kalauer zu vergiften.
taz.de: Lustig-blöder Hitlerkrampf: Cover und Marketingkampagne glückten, sodass es der Roman auf Anhieb hoch auf die Bestsellerlisten schaffte. Respekt!, könnte man sagen, doch es gibt einen Wermutstropfen: Das Buch ist totlangweilig und nicht im mindesten komisch.
Entsprechend vorbereitet machte ich mich also an die Lektüre. Die ersten 100 Seiten würde ich als durchaus amüsant betrachten - dennoch fragte ich mich ständig: Darf man über Hitler lachen? Ist das statthaft? Aber es hatte schon etwas Komisches, wie der "auferstandene" Hitler mit der heutigen Welt konfrontiert wird und allen Erlebnissen seine Ideologie überstülpt. Ab der Hälfte des Buches wurde mein leichtes Amusement von einer Art Beklemmung abgelöst: Kann es wirklich sein, dass die Menschen heute so blind sind? Könnte man uns tatsächlich gefährliche Propaganda als Satire verkaufen? Oder ist es ein Zeichen für die Fortschrittlichkeit unserer Zeit, dass wir solche politischen Tendenzen nicht erst nehmen und sie einfach ins Lächerliche ziehen und ihnen somit ihr Potential entziehen?
Letztendlich konnte ich mir all diese Fragen nicht beantworten und bleibe ein wenig ratlos zurück. Eine Empfehlung für Vermes Debütroman würde ich aber auf jeden Fall aussprechen!