Das Paradies?

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Curandero
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Das Paradies?

Beitrag von Curandero »

Eigentlich suchte ich etwas ganz anderes im Internet, als ich über diesen älteren Artikel in der FR stolperte.

Ist es wirklich das Paradies, als Deutschsprachiger in so einer Art Blase zu leben, die dann auch noch zur Vereinsamung führen kann, wenn z. B. der Partner stirbt?

Es ist doch auch gar nicht förderlich, wenn man z. B. die Sprache, soweit man diese nicht schon vorher ein Stück weit gelernt hat, erst noch erlernen muss/will.
Der kleine November möchte bitte aus dem September abgeholt werden.
Hobbykoch
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Hobbykoch »

Oha. Das ist ein Thema, welches mich bzw uns schon sehr lange beschäftigt. Ich habe meine Frau vor einigen Jahren ja selbst verloren und habe das von meiner Mutter hier in Spanien mitbekommen. Wir haben sie damals dann zurück in unser Haus nach D geholt, weil es einfach nicht mehr alleine ging. Seitdem hatte ich auch angefangen bei verschiedenen sozialen Diensten bei Veranstaltungen zu kochen und zu backen. Aufgrund diesen Erfahrungen hat auch eine meiner Töchter Sozialpädagogik studiert. Zudem steht dieses Thema ja auch in Zukunft bei mir selbst im Raum. Nach heutigem Stand wollen meine Töchter mich nicht alleine lassen, aber.....
Es trifft jedoch nicht alle in den Einrichtungen so hart. Meine Mutter hatte sich öfters mit anderen getroffen oder ich habe welche abgeholt und zu uns zum Plausch gebracht. Da hängt es einfach stark davon ab wie die Verfassung der Person ist. Aber sehr viele gehen schon an der Einsamkeit zugrunde. Wenn dann noch Ereignisse wie Geburtstag, Todestag des Partners, Weihnachten etc kommen, dann wird es richtig schlecht. Bei uns in Friedrichshafen wurden auch ständig hilflose Personen mit ihrem Rollator von der Polizei aufgegriffen und zur Einrichtung zurückgebracht. Ach ich könnte da so viel von erzählen.
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Josefine
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Josefine »

.
Das „Paradies“ in Spanien im Rentenalter:

Ich kann die Geschichte von meiner englischen Nachbarin erzählen. Vor ca. 20 Jahren sind sie und ihr Mann nach Orihuela Costa, also an die südliche Costa Blanca, gezogen. Ihren Wohnsitz in England haben sie komplett aufgegeben. Gelegentlich sind sie alle paar Jahre nach England gefahren, um ihre Kinder und Enkelkinder zu besuchen. Manchmal erhielten sie auch Besuch aus England.

Sie haben sich hier in Spanien (im „Paradies“) sehr wohl gefühlt. Sie hatten einen großen, überwiegend britischen Bekanntenkreis, Spanisch sprachen sie beide nicht. Sie waren sehr reiselustig – auch Fernreisen wurden unternommen. Der Mann kränkelte manchmal und wurde im „Centro de Salud“ behandelt, also im spanischen Gesundheitssystem. Sie waren damit sehr zufrieden.

Irgendwann endet mal das paradiesische Rentnerleben durch Krankheit und Tod. Der Mann (mittlerweile war er ca. 85 Jahre alt) hatte noch einige Wochen in einem spanischen Pflegeheim verbracht bevor er verstarb. Sie hat ihn täglich besucht.

Nach seinem Tod vor einigen Jahren ist sie (mittlerweile 80 Jahre alt) jedoch nicht nach England zurück gekehrt sondern ist hier geblieben. Sie blieb weiterhin sehr reiselustig und ist dann oft mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs gewesen, als Alleinreisende. Unser deutsches Reisebüro in der Nähe organisierte alles für sie; sogar noch eine längere Transreise von Südafrika bis nach Spanien im letzten Jahr. Die Nachbarschaft hat schon gestaunt über ihre Coolness.

Bedauerlicherweise war sie etwas nachlässig mit der Gesundheitsvorsorge, d.h. sie hielt nicht viel von ärztlichen Kontrollen. Sie ist leider Anfang des Jahres innerhalb weniger Tage an Kreislaufversagen (Herzinfarkt oder Schlaganfall) verstorben. Wir erfuhren dann, daß sie bereits für dieses Jahr 3 Kreuzfahrten im voraus gebucht hatte. Der Sohn mußte dann diese Reisen stornieren.

Es ist nur mal ein Beispiel, wie auch ein aktives Witwen-Leben mit Anfang 80 Jahren hier in Spanien aussehen kann. Statt nach England zurück zu gehen, ist sie hier geblieben und hat ihre Reisen auch als Alleinreisende genossen. Sie war jedoch äußerst kontaktfreudig. Sie hatte auch dafür gesorgt, daß wir als einzige Deutsche schnell in die englisch-sprachige Community unserer internationalen Wohnanlage aufgenommen wurden. Wie gut, daß wir Englisch in der Schule gelernt hatten.

Wenn man den Partner verliert... und nicht nach Deutschland zurück will:
Auch durch den internationalen Club der Pensionisten in unserem Umfeld würde man auch als allein-stehende Person nicht vereinsamen. Es gibt reichlich Angebote, wie Spanisch- und Englischkurse, Karaoke, Malen, Tanzkurse, Sport…

Hinzu gibt es auch die Busunternehmen an der südlichen Costa Blanca, die u.a. auch interessante Tagestouren anbieten (z.B. Guadalest, Alicante, Cartagena, Caravaca, Murcia, Calasparra etc…).
Gruß Josefine :)
Hobbykoch
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Hobbykoch »

Auch ein schönes Beispiel, wie es doch funktionieren kann, wenn man mit der Situation klar und aus sich raus kommt. Es gibt eben immer 2 Seiten einer Medaille.
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Spanienwirkommen
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Spanienwirkommen »

Wir haben uns für die Gegend um Denia entschieden weil wir von dem „deutschen Eck“ profitieren wollen. Mal sehn ob’s die richtige Entscheidung war… Ich war noch nie sprachlich begabt und werde das mit Ende 60 ganz sicher auch nicht mehr werden. Und momentan kann ich mir auch nicht vorstellen hier alleine zu sein. Ich denke das ich dann sofort nach Hause- und das ist für mich Deutschland - gehen werde. Wir wollen aber sowieso hier nur die Winter verbringen. Und ja… im Norden sind wir für die Winter nicht optimal gerüstet…
Saludos Spanienwirkommen
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chris
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Re: Das Paradies?

Beitrag von chris »

Wer Lust auf eine Episode eines (inzwischen leider eingestellten) Crime-Podcast hat, die mit der Gegend und dieser Zielgruppe zu tun hat, der wird hier gut bedient:
Weird Crimes - Kokain Kreuzfahrten

Da werden von der Costa Blanca aus Pineapple Runs in die Karibik gestartet.
:mrgreen:
Saludos,
Chris
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Quijosha »

Ich denke, man nimmt sich immer überallhin selber mit. Damit will ich sagen, wenn ich in Deutschland kontaktfreudig war, bin ich es in Spanien auch und umgekehrt. Ich denke, es gibt auch in Deutschland sehr viele einsame Menschen in ihren Wohnungen. Die Kinder leben vielleicht in Deutschland aber vielleicht auch nicht in der selben Stadt. Da kommen die dann auch nicht oft vorbei, vielleicht sogar lieber mal eine Woche nach Spanien. In Spanien ist es wenigstens meistens angenehm warm und man kann die schöne Natur ansehen (je nachdem, wo man wohnt natürlich). Ich habe zumindest das Gefühl, dass man sich in Spanien mehr draußen aufhält und dadurch mehr Abwechslung hat als in Deutschland. Aber das kann natürlich auch nur auf mich zutreffen. Auch Ältere haben alle Möglichkeiten auszugehen und Menschen kennenzulernen. Wenn man gebrechlich wird, wird man die selben Einschränkungen wie in Deutschland haben und muss sich neu sortieren.
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Hobbykoch »

Ja, das liegt an jedem persönlich.
Ich selbst empfinde es hier auch wesentlich besser als in D. Das Leben spielt sich bei mir eigentlich nur draußen ab und sei es auch nur im Garten. Ich schlafe sogar fast nur draußen. Dazu wohne ich ja geschickt und könnte selbst zu Fuß einkaufen gehen. Mit dem Fahrrad komme ich zudem auch ans Meer etc. Es wird ja jetzt hier mein erster Winter und darauf freue ich mich schon sehr drauf. Solange die Gesundheit und Psyche mitmacht ist alles in Ordnung. Und dazu habe ich noch meine 2 Hunde.
Aber eben wenn nicht mehr.....
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chris
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Re: Das Paradies?

Beitrag von chris »

Quijosha hat geschrieben: Fr 31. Okt 2025, 12:54 Ich denke, man nimmt sich immer überallhin selber mit.
Das Zitat werde ich mir merken, denn es fasst alles zum Thema in einem Satz zusammen.

Wer in Deutschland gescheitert ist, der wird es in Spanien erst recht nicht schaffen. Hier wartet niemand auf Einwanderer, schon gar nicht gesunder Menschenverstand oder ein Sozialstaat mit rundum sorglos Paket.
Saludos,
Chris
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Re: Das Paradies?

Beitrag von Hobbykoch »

chris hat geschrieben: Fr 31. Okt 2025, 18:32
Wer in Deutschland gescheitert ist, der wird es in Spanien erst recht nicht schaffen. Hier wartet niemand auf Einwanderer, schon gar nicht gesunder Menschenverstand oder ein Sozialstaat mit rundum sorglos Paket.
Genau das sage ich schon immer. Was habe ich da schon viel diskutiert mit Leuten, die dann in die Welt geflüchtet sind, weil sie in D nichts gebacken bekamen. Viele kamen hilflos wieder zurück
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