Besuch einer katholischen Messe in Spanien

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Oliva B.
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Besuch einer katholischen Messe in Spanien

Beitrag von Oliva B. »

-so ganz anders als in Deutschland

Gestern sind wir zur Vorabendmesse in die kleine Kirche unseres Dorfes gegangen. Unspektakulär steht sie mitten im Ort, eingekeilt zwischen schmucklosen spanischen Wohnhäusern. Die Pracht des Gotteshauses erschließt sich dem Besucher erst, wenn er Kirche betritt.
Eine Familie die ausgewandert ist und es „zu etwas gebracht“ hat, hatte vor vielen Jahren eine Menge Geld gespendet, damit ihre Heimatkirche restauriert werden konnte.
Unsere Kirche - eingepfercht zwischen Häusern
Unsere Kirche - eingepfercht zwischen Häusern
Wir waren etwas früher da. In der Sakristei sprangen Kinder herum, sie fühlten sich offensichtlich wie zu Hause, fast hätte man sagen können, „sie sprangen über (Tisch und) Bänke“, die Erwachsenen hielten unterdessen ein Pläuschchen mit ihren Nachbarn, andere hatten sich zurückgezogen und beteten still. Die Fächer der Damen waren trotz eingeschalteter Ventilatoren ohne Pause im Einsatz und raschelten in der Luft - Szenen fast wie im Wohnzimmer. Diese Unruhe in einer deutschen Kirche? Für mich unvorstellbar. Ich war gespannt, ob die sich zu Messebeginn legen würde - ich hegte da so meine Zweifel…

Ich fragte also, kaum neugierig, meine Banknachbarin, ob der Pastor denn nichts gegen diesen Trubel im Gotteshaus hätte. „Oh nein“, entgegnete sie. Er liebe Kinder und beziehe sie ganz selbstverständlich in den Ablauf der Messe mit ein. Ihm sei der Rummel nicht zuviel und ein strenges Regiment würde die Kinder nicht zum Gottesdienst locken.

Nach all den Skandalen, die in letzter Zeit bekannt geworden sind, aber auch angeregt durch unsere Diskussion Missbrauch in der Kirche, schaut man dann schon mal genauer hin, doch die Kinder spielten völlig unbefangen um den Pastor herum, der sich in seinen Vorbereitungen überhaupt nicht durch sie stören ließ, während die quasselnden Messdienerinnen mit den liturgischen Gefäßen klapperten, was den Geräuschpegel keinesfalls senkte - eine völlig unbefangene und entspannte Atmosphäre.
Der Altar
Der Altar
Dann begann die Messe. Die Ministrantinnen nahmen neben dem Altar Platz. Die vier Mädchen trugen in der Hitze luftige Sommerkleidchen, während sich der arme Pfarrer unter seinem vielschichtigen liturgischen Gewand wie in einer Sauna vorkommen musste.
Eine alte Frau aus der Gemeinde hielt eine Lesung über das dörfliche Leben und stimmte zwischendurch immer wieder einen Gesang an, der von der Gemeinde wiederholt wurde. Muss ich erwähnen, dass es inzwischen mucksmäuschenstill in der Kirche war? Die Kinder saßen locker, teilweise im Schneidersitz, auf den Kirchenbänken, die Kleinen auf den Schößen ihrer Mütter und hörten gespannt der fesselnde Messe des Pastors zu und gaben keinen Laut mehr von sich. Unglaublich, wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Das lag natürlich auch am Pfarrer, der seine Zuhörer nicht nur mit seiner Predigt, sondern auch mit seiner Mimik und Körpersprache zu fesseln verstand. Sein Einsatz blieb nicht ohne Folgen: Die Zuhörer litten stumm mit, wenn sie sich den Armen unter seinem dicken Talar betrachteten. Oft nahm er seine Brille ab und wischte sich über das schweißnasse Gesicht, warf das Taschentuch dann im hohen Bogen auf den Altar und holte es sich von dort bei Bedarf wieder, ohne auch nur einmal seine mitreißende Predigt zu unterbrechen.
Kirche-Innen.JPG
Bei der Eucharistiefeier zählte ich ungefähr 60 Personen. Für einen kleinen Ort mit 150 Einwohnern ein sehr guter Besuch, auch wenn es der Eröffnungsgottesdienst der diesjährigen Patronatsfeier war. Der „normale“ Gottesdienst wird im Durchschnitt von 20 Gläubigen besucht.
Ich bin keine Katholikin und kenne mich nicht mit der Liturgie, schon gar nicht mit der spanischen, aus. Trotzdem wurde es mir von den Anwesenden leicht gemacht, locker und entspannt an diesem Gottesdienst teilzunehmen, obwohl ich weder mitbeten noch mitsingen konnte, da mir die Texte unbekannt waren. Bisher war ich nur bei festlichen Anlässen in der Kirche. Ich kann also nicht sagen, ob diese Messe nun typisch spanisch war oder eher die berühmte Ausnahme. Habt jemand von euch eigene Erfahrungen machen können?
Zuletzt geändert von Oliva B. am So 25. Jul 2010, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Titel ergänzt.
medusa
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Re: Besuch einer spanischen Messe

Beitrag von medusa »

Oliva B. hat geschrieben:Messe.
Ich dachte spontan an eine "Feria". :') .
Ich habe in E noch keinen Gottesdienst besucht, kann also nichts dazu sagen.
Unsere deutschen Gottesdienste, egal ob evangelisch oder katholisch, finde ich furchtbar steif. Ich kenne die von dir beschriebene lockere Athmosphäre aus der orthodoxen Kirche und muss sagen, dass ich es zwar gewöhnungsbedürftig fand, ( ich konnte nicht in Ruhe zuhören), aber trotzdem "näher am Menschen".
Gast1
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Re: Besuch einer spanischen Messe

Beitrag von Gast1 »

Oliva B. hat geschrieben:Hat jemand von euch eigene Erfahrungen machen können?
Ja, Oliva, es ist eben wirklich ganz anders als in Deutschland. Wir haben einmal eine Christmette in Crevillente mitgemacht. Der Einfachheithalber kopiere ich den Absatz aus meinem Buch darüber einfach:

Die Kirche ist festlich geschmückt. Die Glocken läuten Mitternacht und der Chor beginnt zu singen. Wer meine Vorliebe für Chormusik kennt, weiß, dass ich begeistert bin. Wir werden aber sehr schnell aus der weihnachtlichen Stimmung gerissen. Eine spanische Christmette ist anders als eine deutsche. Während des ganzen Gottesdienstes fliegen die Türen auf und zu, es klappern Absätze, es wird sich lautstark begrüßt und unterhalten. Es geht zu wie in einem Bierzelt auf dem Oktoberfest in München. Die Ersten sind schon wieder am Gehen, da kommen die Letzten gerade noch rechtzeitig zum Abendmahl. Zwischendurch werden auch noch im Schnellverfahren drei Kinder getauft. „Victoria, ich taufe dich im Namen des Vaters...“, „Angel, ich taufe dich...“, Rafael, ich taufe dich...“ Fertig.

Ich freute mich sehr, dass der Pfarrer seine Predigt nicht in Valenciano, sondern in Castellano, also Hochspanisch hält. So hätte ich ihn sprachlich jedenfalls verstehen können. Der Lärmpegel macht aber ein Verstehen unmöglich. Der Pfarrer predigt in einer Gemütsruhe, ein paar hören vielleicht zu, die anderen amüsieren sich anderweitig.

Als die Enkelin unseres Nachbarn Antonio Kommunion hatte, sage man uns, dass nur die Eltern in die Kirche gehen. Wir haben danach dann einen Film gesehen und es war sehr nüchtern. Nur die Kinder und eben deren Eltern. Sehr schmucklos und kein Pomp und Gloria, wie ich das erwartet hätte. Der Trubel ging dann erst zu Hause auf der Finca los. Da waren 120 geladene Gäste und Tische, die sich fast durchbogen mit Essen und Getränken.
Gruß Uschi
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Oliva B.
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Re: Besuch einer spanischen Messe

Beitrag von Oliva B. »

medusa hat geschrieben:
Oliva B. hat geschrieben:Messe.
Ich dachte spontan an eine "Feria". :') .
Ich habe in E noch keinen Gottesdienst besucht, kann also nichts dazu sagen.
Unsere deutschen Gottesdienste, egal ob evangelisch oder katholisch, finde ich furchtbar steif. Ich kenne die von dir beschriebene lockere Athmosphäre aus der orthodoxen Kirche und muss sagen, dass ich es zwar gewöhnungsbedürftig fand, ( ich konnte nicht in Ruhe zuhören), aber trotzdem "näher am Menschen".
@ medusa
Danke für den Hinweis mit der "Feria", ich habe den Titel deshalb noch einmal überarbeitet.

Schön an der gestrigen Messe war, dass es vorher locker zuging, aber währenddessen keinerlei Unruhe herrschte. Man konnte jedes Wort verstehen.
Ich denke, die Erfahrungen die Uschi gemacht hat, hängen von der Persönlichkeit des Pfarrers ab. Von seiner Autorität - wie überall auf der Welt. Und es liegt an den Eltern, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen. Während des Gottesdienstes zu stören ist extrem unhöflich. Auch gestern kamen nach Beginn der Predigt noch Menschen in die Kirche. Doch die bemühten sich leise zu sein.
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kala
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Re: Besuch einer katholischen Messe in Spanien

Beitrag von kala »

... und was haltet ihr davon, dass man in der Kathedrale von Valencia Eintritt zahlen muss??

Als ich das letzte Mal in Rom (Petersdom) war, was ja wohl ganz klein wenig repräsentativer ist, war es kostenlos. Man musste anstehen und durch Sicherheitskontrollen, aber es gab keinen Eintritt. Ich hoffe sehr, dass dies nicht zur Gewohnheit wird, dass man in Gotteshäusern Eintritt zahlen muss (4,50 Euro, falls es jemanden interessiert).
lg
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Oliva B.
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Re: Besuch einer katholischen Messe in Spanien

Beitrag von Oliva B. »

kala hat geschrieben:... und was haltet ihr davon, dass man in der Kathedrale von Valencia Eintritt zahlen muss??

Als ich das letzte Mal in Rom (Petersdom) war, was ja wohl ganz klein wenig repräsentativer ist, war es kostenlos. Man musste anstehen und durch Sicherheitskontrollen, aber es gab keinen Eintritt. Ich hoffe sehr, dass dies nicht zur Gewohnheit wird, dass man in Gotteshäusern Eintritt zahlen muss (4,50 Euro, falls es jemanden interessiert).
Wenn ich nicht in die Kirche gehe, um an einem Gottesdienst teilzunehmen, sondern aus kunsthistorischem Interesse ein Gotteshaus besuche, bin ich bereit dafür Eintritt zu zahlen, genauso wie im Museum.
Doch 4,50 €/Person $-) finde ich völlig überzogen. Wie will das eine vierköpfige Familie finanzieren? Das sind 18 € :-o
Meiner Ansicht nach dürften Kinder weder in Museen noch in Kirchen Eintritt zahlen. In dieser Richtung ist noch einiges verbesserungsbedürftig.
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kala
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Re: Besuch einer katholischen Messe in Spanien

Beitrag von kala »

Hallo,
sehe ich ganz genauso, zumal das Museum innerhalb ja auch vorher Eintritt gekostet hat. Nur haben wir das Bauwerk, was mir ansich sehr zusagt, bisher immer 5-10 Mal im Jahr besucht, das tun wir jetzt nicht mehr. Nicht weil wir das Geld nicht haben, sondern weil ich dieses Prinzip nicht in Ordnung finde. Wir haben auch früher immer eine Spende dagelassen, jetzt gehen wir in ein Café davor und bewundern den Anblick von aussen. Der Aufstieg auf den Turm kostet übrigens noch mal extre.
lg
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Re: Besuch einer katholischen Messe in Spanien

Beitrag von Nordseekrabbe »

Es gibt schon Kirchen die Menschen eher aus musealen oder geschichtlichen Gründen anlocken. Denken wir mal an die Gedächtniskirche in Berlin. Jeden Tag strömen hunderte von Menschen dort rein. Das ist mit einem zusätzlichen Ordnungs-Personal-Bedarf zu wuppen, aber das kostet Geld. Ferner muss gewährleistet werden dass der touristische Gedanke nicht den Gottesdienst stört. In der Regel standen in den Kirchen vorne kleine Spendenboxen oder eine ehrenamtliche Person hat die Leute angesprochen. Der Ertrag war scheinbar nicht ausreichend, so daß solche Maßnahmen ergriffen worden sind. Allerdings sind 4,50 Euro schon sehr hoch gegriffen, vielleicht kann man ja mal den Grund dafür rausbekommen.

Was die Qualität der Gottesdienste angeht: das ist wie in jedem Beruf, es gibt solche und solche. In der Regel hat man immer noch die Chance in eine Nachbargemeinde auszuweichen.

Und was das Verhalten in Kirchen angeht: Spätestens zum GD sollte es durchaus ruhiger werden, allerdings ist ein Kinderlachen oder ein weinendes Baby, solange es nicht ueber die gesamte Zeit geht, aus meiner Sicht kein Störfaktor, sondern gewollt, Kinder sind erwünscht. Benimmregeln gelten für ältere Kinder genauso wie für Erwachsene. Wer im GD den neuesten Klatsch loswerden möchte, zeigt sich auch nicht von seiner rücksichtsvollsten Seite. Vorbildfunktion ist angesagt.

Uebrigens habe ich mal geschaut wie es denn in unserer Kirche in Bogota gehalten wird. Die haben einen wunderbaren Kindertisch fuer div. Altersgruppen eingerichtet. Dort gibt es vom "leisen" Bilderbuch aus Stoff für die ganz kleinen, ständig wechselnden Ausmalbildern, kleinen Bastelwettbewerben usw. ein wirklich brauchbares Programm. Dort sitzen dann oft die Eltern (ist uebrigens in die normale Bankreihe eingebaut) mit ihren Kindern. Die Kinder erleben Kirche, GD, Predigt, Gesang, Musik etc. und hören auch gerne zu, widmen sich aber dann auch wieder "ihrem" Programm. Und die Eltern geniessen stressfreier.

Lieber Gruss Nordseekrabbe ;;)
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