Ein besonderes Bar-Erlebnis

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Frambuesa
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Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Frambuesa »

Vor vielen, vielen Jahren in Andalusien, damals, als mein Spanisch noch sehr dürftig war
und meine Erfahrungen - na ja ;)

Schon lange wollten wir einmal die kleine Bar besuchen, an der man vorbeikommt, wenn man statt der Autobahn die Landstraße von Almeria aus in die Wüste nimmt. Sie hat einmal wesentlich bessere Tage gesehen, damals, als es die A92 noch nicht gab und sämtliche LKWs hier Pause machten. „Jefe“ kann sich noch gut erinnern, dass es 1990 hier sehr lebhaft zuging.
Aber jetzt, fast 25 Jahre später? Zeit ist Geld und wer fährt schon noch eine holprige Landstraße, wenn er direkt nebenan eine tolle Autobahn hat?

Und heute sollte der Tag sein, welcher . . .

. . . wir hatten eine kleine Erkundungstour durch die bizarre Gegend des Karst de Yesos gemacht und uns den kleinen Ort Uleila angesehen und mittlerweile war es so langsam eine Tapa-Pause einzulegen. In Uleila waren die Bars wie ausgestorben und in Tabernas die Lokalitäten unserer Wahl geschlossen. So kamen wir auf die Idee, die Bar in Rioja (eine kleine Gemeinde in Almeria) endlich einmal zu besuchen.

Ein paar wenige Fahrzeuge standen vor der Bar und einige Stimmen drangen nach draußen. Mal sehen, was uns hier erwartet, dachten wir, betraten das etwas düster anmutende Etablissement – schlagartig verstummten die Gespräche der Männer an der Bar . . . :-?

So ganz geheuer war mir im ersten Moment wirklich nicht und die Typen, die da um den Tresen standen, Bier, Wein und Tapas vor sich, musterten uns skeptisch, als wir unsere obligatorische Clara bestellten.
Das mit Limo verdünnte Bier schien hier wohl kein gängiges Getränk zu sein, denn der Wirt holte eine Dose Fanta (Original) aus der Kühlung, die er uns zur Flasche Cruzcampo servierte. Zur Tapa, einige Scheiben Salchicón mit einem Stück Brot servierte er uns noch einen ganzen Teller voller Oliven. Oh weh, schon wieder so ein Tag, an dem die Fett- und Kalorienzufuhr den Energiebedarf bei weitem übersteigt – Viva Andalucía, es lebe die Tapadiät!

Neben mir stand ein Alter, der grinsend wie ein Wasserfall auf uns einredete. Nennen wir ihn José. Natürlich verstanden wir kein einziges Wort von dem, was er sagte und Jefe nickte ihm stets freundlich zu und bekräftigte mit „Si, si“. Wozu er da seine Zustimmung gab – keine Ahnung und ich hoffte nur, dass es nichts war, das uns in Schwierigkeiten bringen könnte.
Wissen wir, ob nicht die Stimmung gegen Ausländer mittlerweile auch im krisengeschüttelten Spanien kippt? Sie haben doch längst an unserem Fahrzeug entdeckt, dass wir Deutsche sind.
Gleich neben José stand ein Herr, der als einziger als etwas „besser betucht“ gekleidet war, nennen wir ihn hier mal den „Don“. Na, und der Typ gleich neben dem „Don“ war scheint‘s ein Automechaniker oder sowas ähnliches aus der Nachbarschaft, der hatte nicht nur einen entsprechend benutzten Overall an, sondern auch noch total schwarze Finger und war scheinbar schon ziemlich abgefüllt. Bei ihm klingelte dauernd das Telefon, mit dem er dann vor die Bar trat. Ja, und dann kam ER, Typ Mann irgendwo zwischen 53 und 60, bei dem man nicht weiß, ob er nun abstoßend oder faszinierend auf „Frau“ wirkt. Seine große und kräftige Statur wurde gekrönt von gekräuseltem grauen Haar, das oben ein wenig gelichtet, unten dafür ein wenig länger war und entweder hatte er es in der Art eitler Toreros gegelt oder sie waren schlicht und ergreifend fettig, da ungewaschen. Zu seiner etwas abgeschabten Uniform mit einigen Sternen . . .

Fortsetzung folgt
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Frambuesa
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Frambuesa »

Zu seiner recht abgeschabten Uniform mit einigen Sternen der spanischen Eliteeinheit „La Legion“, die hier in Viator zu Hause waren, hätte Zweiteres wohl eher gepasst. An der linken Hand trug er einen riesigen Ring mit einem goldenen Löwenkopf, der fast ein Drittel seiner riesigen Pranke bedeckte. Wäre nicht die Uniform gewesen, ich hätte ihn glatt für einen Clanchef der Gitanos gehalten; deshalb nennen wir ihn hier auch einfach „El Gitano“
Und neben demselben, ja, da stand noch einer, aber an den kann ich mich nicht mehr so recht erinnern. Ist ja auch kein Wunder bei der illustren Gruppe, die ich schon beschrieben habe.
Unser Wirt bemühte sich zwar um uns, doch wir hatten das Gefühl, dass die Gespräche der Gruppe irgendwie durch uns ins Stocken geraten waren. José plauderte indessen munter auf uns ein, zeigte häufiger auf den Mechaniker und gab uns zu verstehen, dass der wohl schon den Kanal voll habe und der „Don“ früher 7 Geschäfte gehabt haben soll – Pizzerias, Pescaderias und ähnliches. Auch hat er reichlich auf die EU geschimpft, aber er sprach so schnell und in diesem buchstabensparsamen undeutlichen andalusischen Dialekt, dass wir kaum ein Wort verstanden haben und immer alles nur abnicken konnten.

Ja, es war schon recht lustig in dieser Bar. Der Wein – ein heller Roter des letzten Jahres - wurde aus ehemaligen Eineinhalbliter-Wasserflaschen serviert, die wiederum aus 6-Liter-Kanistern nachgefüllt wurden. In der Ecke standen ein paar Kisten mit Mandarinen und Orangen zum Verkauf und im Regal hinter der Theke entdeckte ich einige Gläser Honig und eingelegte Gurken, die hier wohl auch auf Käufer warteten. Na klar, nix etikettiert oder so, aber absolut ökologisch und frei von Pestiziden und Herbiziden :roll: ;) :-\
Man schlägt sich halt auch hier mit kleinen Nebengeschäften durch und ich genehmigte mir zur Freude des Wirts ein Glas von seinem Orangenblüten-Honig.
Irgendwann – so ist das halt auch bei Frau – will das Bier raus. Mittlerweile im Auffinden solcher Örtlichkeiten in andalusischen Etablissements geübt marschierte ich schnurstraks in die Richtung, in der sich die Toiletten befinden mussten. Zunächst ging es durch den – natürlich leeren – Speisesaal mit der Orgel unterm plärrenden Fernseher. Ach so, die Fernseher laufen hier immer, aber niemanden interessiert, was da läuft.
Dahinter kam ein zweiter Saal, in dem eine alte verstaubte Jugendstilkommode mit schmuddeligem Deckchen und altmodischer Blumenvase und ein paar Plastikblumen an der Wand des ansonsten leeren Saales mit defekten Bodenfliesen stand.
Muss wirklich schon recht glanzvolle Zeiten gesehen haben, dieses Lokal. Wirklich traurig, was daraus nun geworden ist.
Noch eine Schilderung der Kabinette für Señoras und Caballeros gefällig? :-? Aufpassen, nicht über die kaputten Fliesen stolpern; ansonsten war es schon ein wenig besser und sauberer als erwartet, nur Wasser gab es keines, weder für die Toilettenspülung noch zum Händewaschen. Na ja, für solche Fälle hat Frau natürlich immer vorgesorgt. Während ich also noch mit dieser intimen Verrichtung beschäftigt war, drang die Stimme meines Herrn von ferne an mein Ohr. Leider konnte ich nicht verstehen, was er da so in seinem „Superspanisch“ von sich gab und eilte flugs wieder an die Bar :)

Fortsetzung folgt
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Frambuesa »

Jefe grinste von einem Ohr zum anderen, als er mir erzählte was sich während meiner Abwesenheit abgespielt hat: Während ich mein Bier loswurde fragten die an der Bar stehenden Hombres meine bessere Hälfte, ob er was dagegen habe, wenn sie rauchten. Das Rauchen ist hier in Spanien natürlich genauso wie bei uns in sämtlichen Lokalitäten verboten und wird mit hohen Strafen geahndet, wenn sie erwischt werden. Jefe beteuerte, dass es ihn nicht stören würde. Da haben sie sich im Chor bei ihm überschwänglich mehrmals bedankt und die Kippen, die sie bei unserem Auftauchen haben verschwinden lassen, wurden wieder angesteckt; „El Gitano“ hat sich sogar nochmals ganz besonders bedankt.
Na, von uns haben sie sicherlich keine Anzeige zu erwarten. Wie es aber sein wird, wenn der nächste Polizist in die Bar kommen würde . . . :roll: :-? :lol:

Kaum hatten wir diesen Satz zu Ende gedacht, da erschienen Zwei bis an die Zähne bewaffnete Jungs der Guardia Zivil, stellten sich vor die Bar, musterten uns von der Seite, kippten sich jeweils einen Cafe solo mit reichlich brauner Verdünnung hinunter, qualmten sich eine und verschwanden nach einiger Zeit wieder. „Kneif mich“ sagte ich zu meiner besseren Hälfte „und sag mir, dass das jetzt hier kein Film ist.“ B-)
José neben mir wollte uns unbedingt einen ausgeben, aber Jefe gab ihm zu verstehen, dass er noch Auto fahren müsse. Ich glaube, das interessiert hier keinen, die fahren wohl alle noch volltrunken und der Alte gab zu verstehen, dass es kein Problem sei, er regele das schon und wir hätten in weitem Umkreis keine Probleme mit der Polizei zu erwarten. Ja, ja, so ist das hier, hier wurden und werden nicht nur heiße Western gedreht, hier ist es wirklich wie im wilden Westen, hier im äußersten Südosten Andalusiens.

Langsam wurde es Zeit, uns mal wieder auf die „Socken“ zu machen und Jefe zahlt die Zeche. Als wir uns zum Gehen anschicken, reicht der Wirt uns zum Abschied die Hand und von sämtlichen Figuren, die an der Bar standen kam ein vielstimmiges „Hasta luego – hasta la proximo Semana – adios“.

Natürlich machen wir nächste Woche mal wieder einen kleinen Besuch in diese illustre Bar und hoffen, all die Typen wiederzusehen, Jose, den Alten, den Don, el Mechanico, el Gitano und den freundlichen Wirt. ;;)

Epilog:
Wir waren im Laufe der Jahre noch mehrmals in dieser Bar, haben aber leider nie mehr diese illustre Gruppe angetroffen. José hatte uns eine Woche später eine Kiste Naranjas hinterlassen und die Honiggläser waren zwei Jahre später gegen Honiggläser aus dem Supermarkt gewichen :sad:
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von vitalista »

Wieder mal eine der bildhaften, köstlichen Frambuesa - Geschichten. Gedanklich stand ich eben gerade mit euch in diesem Etablissement ~o) :*
Wer morgens zerknittert aufsteht, hat tagsüber noch Entfaltungsmöglichkeiten!
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Frambuesa »

Es hätte dir sicherlich gefallen; ich denke heute noch oft daran zurück - besonders an die Dominanz von „El Gitano“ in der alten, abgeschabten La-Legion-Uniform. ;-)
Übrigens, so staubig es ja in den hinteren, unbenutzten Räumlichkeiten war, im vorderen Gastraum und alles im Thekenbereich war blitzsauber!

Ob es dieses Etablissement noch gibt? Im nächsten Winter werden wir es wissen :) .
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Citronella »

Ob es dieses Etablissement noch gibt? Im nächsten Winter werden wir es wissen :) .


Ob sie euch dann wiedererkennen?

Auch mir hat deine Geschichte sehr gut gefallen - solche "Typen" bleiben einfach im Gedächtnis. Manchmal ist es auch ganz gut wenn man nicht alles versteht ;-) .

Saludos
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Frambuesa »

Nun ja, die „Typen“ außer dem Wirt und „El Gitano“ würden wir sicher auch nicht mehr erkennen.
Citronella hat geschrieben: Di 3. Mär 2020, 14:52 Manchmal ist es auch ganz gut wenn man nicht alles versteht ;-) .
Damit hast du natürlich absolut Recht :lol: .
Als ich 2012 in Griechenland weilte, habe ich mir schon manchmal gewünscht,
so manchen diskriminierenden Kommentar nicht zu verstehen :roll:
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Re: Ein besonderes Bar-Erlebnis

Beitrag von Steinis »

Hola.
Was hier so beim Stöbern Gefunden wird. :lol: :lol:
Toll Geschrieben.
Anette und Ich haben herzlich Gelacht.
Genau solche Erlebnisse Machen das Leben schon und Sie werden nie Vergessen :')
Grüße aus Büchen >:d<
Ein Leben mit Arbeit ist möglich aber Sinnlos :-? :lol:
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