Jueves Santo in den Alpujarras
Verfasst: Do 18. Apr 2019, 19:24
Sicher braucht‘s ein ganz klein wenig katholisches Hintergrundwissen, viel Empathie und eine positive Grundhaltung zu andalusischem Brauchtum, um auch nur ansatzweise das Geschehen zu verstehen und emotional nachempfinden zu können.
Vor einigen Jahren erlebten wir den Gründonnerstag in einem kleinen Nest in den Alpujarras. Um 17 Uhr sollte die Jueves Santo Tradition mit einer Messfeier und der traditionellen Fußwaschung beginnen.
Ob die Fußwaschung der Grund war, weshalb mein Begleiter freiwillig mitgegangen ist, hat er mir nicht verraten. Jedenfalls saßen wir um Punkt 17 Uhr in einer der hinteren Kirchenbänke.
Die Glocken hatten aufgehört zu läuten und eigentlich hätte es losgehen sollen. Aber es gab erst wenige Leute in der großen Kirche.
Ein hagerer älterer Herr (wohl der Küster) wuselte am Altar herum, stellte hier noch etwas hin und dort und schaute immer, ob noch was fehlte oder so.
Und dann dachten wir, in eine Filmkulisse geraten zu sein und hielten Ausschau nach den Kameras. Aber es war kein Film, der da ablief, es war alles live und ungefiltert, was sich vor unseren Augen abspielte. Ich versuche hier einmal, all unsere Beobachtungen in Worte zu kleiden:
Wir saßen also hinten in der Kirche, die sich doch so langsam zu füllen schien. Und dann kam ER, ein Mann so zwischen 50 und 65 – schwer zu schätzen; robuste, stämmige Figur, wettergegerbte braune Hautfarbe und graue, kurze Haare, die von einer hochgeschobenen Sonnenbrille gekrönt wurden. Nicht unattraktiv, der Typ, dachte die Frau in mir, wie er so selbstbewusst durch den Mittelgang ging und alle möglichen Leute begrüßte und anderen aus der Ferne zuwinkte.
Mein Begleiter wunderte sich ein wenig. Bei all den Leuten, die heute ihr Feiertagsgewand trugen, marschierte ER mit brauner formloser Hose, abgewrackten Turnschuhen mit grober Wandersohle und grauem Pullover, der auch schon mal bessere Tage gesehen hat, kreuzfidel durch die Kirche in den Altarraum, wohin ihm jede Menge Kinder begeistert folgten.
„Du, das ist der Priester dieser Gemeinde“ flüsterte ich meinem Begleiter zu. „Du spinnst .. . „ gab dieser zurück „das ist nie und nimmer der Pastor, der fängt hier gleich an, Popcorn zu verkaufen“
„Warts nur ab“ grinste ich.
Kurze Zeit später kommt er mit dem kindlichen Gefolge im Messgewand aus der Sakristei und die Messe beginnt. Die Sonnenbrille hatte er jetzt aber vom Kopf genommen.
Irgendwie lief in dieser Messe vieles nicht so, wie es eigentlich laufen sollte.
Erst hatten sie vergessen, die Lautsprecher einzuschalten. Machte aber nichts, denn die gewaltige Stimme des Pastors drang auch so bis in den letzten Winkel des Gotteshauses. Als jedoch die Lautsprecher eingeschaltet wurden, fielen uns fast jedesmal die Ohren ab, wenn der Pastor zum mitsingen anhob.
Das Mikrofon stand ja direkt vor ihm auf dem Altar und so bekam die ganze Gemeinde natürlich auch alles lautstark mit, was da vorne so an Pannen ablief.
Nach der Lesung, so wird in der katholischen Liturgie das Messbuch vom Priester und den
Messdienern als Symbol der Verehrung geküßt. Unserem Dorfpriester schien es aber bei seinen kleinen Messdienerinnen nicht schnell genug zu gehen und so half er schnurstracks ein wenig nach, indem er das Messbuch schon ein wenig heftig dem Mund der kleinen Messdienerin näherbrachte. Es lag schon eine gewisse Komik in dieser etwas robusten Geste.
Dann kam die Fußwaschung, eine der rituellen Gründonnerstagszeremonien in der der Priester seinen Dienst am Nächsten als wichtige Aufgabe demonstriert.
Unser Priester hier in in dem kleinen Nest in den Alpujarras würde nun also den 12 Herren der Bruderschaften des Ortes die Füße waschen. Mit einem Waschgeschirr, wie wir es noch aus den 50er Jahren kennen, zogen die Messdienerinnen mit ihrem Pastor los, um den Männern der Bruderschaften die Füße zu waschen. Ob es daran lag, dass sich der an sich recht wendige Pastor nicht richtig bücken konnte? Jedenfalls ließ er zwar das Wasser aus der Kanne über die Füße der Männer laufen, gewaschen und abgetrocknet haben aber die Kinder den Männern die Füße und mein Begleiter grinste mich verständnisinnig an.
Bei der Wandlung vergaßen dann die Messdienerinnen die Altarschellen zu läuten und als der
Pastor sie darauf aufmerksam machte, fanden sie die Schellen nicht. Auch das nahm man hier recht gelassen.
Und dann fragte der Priester während des Hochgebets doch tatsächlich die Mädels am Altar (wohl um sie zu prüfen): „Na, wie heißt denn unser Papst?“ und alles war (wegen des Mikro auf dem Altar) bis in die letzte Bankreihe zu hören. Eine der Kleinen antwortete: „Franziskus“ und der Pastor betete weiter: „. . . vereint mit unserem Papst Franziskus. . .“
Zum Schluss gab es dann noch eine größere Panne, die für Aufregung sorgte: Wo ist die Monstranz? Der dünne ältere Mann lief aufgeregt in die Sakristei – es dauerte und dauerte und dauerte und letztendlich musste der gute Pastor improvisieren. Weder der dünne Mann noch die kostbare Monstranz wurden bis zum Ende der Messe gesichtet.
Das wär der Stoff, aus dem ein Krimi um die Semana Santa entstehen könnte, in einem kleinen Dorf in den Alpujarras.
Nach Beendigung der Messe zog die Prozession mit 4 Pasos durch die Gassen des Dorfes. Fast alle Einwohner, viele als Bruderschafts- oder Orchestermitglieder, haben daran teilgenommen.
Wenn man bedenkt, dass dieser Ort nur etwa 700 Einwohner hat, so bringen sie schon wirklich was auf die Beine: 4 Bruderschaften und ein hervorragendes Orchester.
Für uns endet dieser Jueves Santo in den Alpujarras bei und wir fahren zurück in unser Dorf am Meer.
Vor einigen Jahren erlebten wir den Gründonnerstag in einem kleinen Nest in den Alpujarras. Um 17 Uhr sollte die Jueves Santo Tradition mit einer Messfeier und der traditionellen Fußwaschung beginnen.
Ob die Fußwaschung der Grund war, weshalb mein Begleiter freiwillig mitgegangen ist, hat er mir nicht verraten. Jedenfalls saßen wir um Punkt 17 Uhr in einer der hinteren Kirchenbänke.
Die Glocken hatten aufgehört zu läuten und eigentlich hätte es losgehen sollen. Aber es gab erst wenige Leute in der großen Kirche.
Ein hagerer älterer Herr (wohl der Küster) wuselte am Altar herum, stellte hier noch etwas hin und dort und schaute immer, ob noch was fehlte oder so.
Und dann dachten wir, in eine Filmkulisse geraten zu sein und hielten Ausschau nach den Kameras. Aber es war kein Film, der da ablief, es war alles live und ungefiltert, was sich vor unseren Augen abspielte. Ich versuche hier einmal, all unsere Beobachtungen in Worte zu kleiden:
Wir saßen also hinten in der Kirche, die sich doch so langsam zu füllen schien. Und dann kam ER, ein Mann so zwischen 50 und 65 – schwer zu schätzen; robuste, stämmige Figur, wettergegerbte braune Hautfarbe und graue, kurze Haare, die von einer hochgeschobenen Sonnenbrille gekrönt wurden. Nicht unattraktiv, der Typ, dachte die Frau in mir, wie er so selbstbewusst durch den Mittelgang ging und alle möglichen Leute begrüßte und anderen aus der Ferne zuwinkte.
Mein Begleiter wunderte sich ein wenig. Bei all den Leuten, die heute ihr Feiertagsgewand trugen, marschierte ER mit brauner formloser Hose, abgewrackten Turnschuhen mit grober Wandersohle und grauem Pullover, der auch schon mal bessere Tage gesehen hat, kreuzfidel durch die Kirche in den Altarraum, wohin ihm jede Menge Kinder begeistert folgten.
„Du, das ist der Priester dieser Gemeinde“ flüsterte ich meinem Begleiter zu. „Du spinnst .. . „ gab dieser zurück „das ist nie und nimmer der Pastor, der fängt hier gleich an, Popcorn zu verkaufen“
„Warts nur ab“ grinste ich.
Kurze Zeit später kommt er mit dem kindlichen Gefolge im Messgewand aus der Sakristei und die Messe beginnt. Die Sonnenbrille hatte er jetzt aber vom Kopf genommen.
Irgendwie lief in dieser Messe vieles nicht so, wie es eigentlich laufen sollte.
Erst hatten sie vergessen, die Lautsprecher einzuschalten. Machte aber nichts, denn die gewaltige Stimme des Pastors drang auch so bis in den letzten Winkel des Gotteshauses. Als jedoch die Lautsprecher eingeschaltet wurden, fielen uns fast jedesmal die Ohren ab, wenn der Pastor zum mitsingen anhob.
Das Mikrofon stand ja direkt vor ihm auf dem Altar und so bekam die ganze Gemeinde natürlich auch alles lautstark mit, was da vorne so an Pannen ablief.
Nach der Lesung, so wird in der katholischen Liturgie das Messbuch vom Priester und den
Messdienern als Symbol der Verehrung geküßt. Unserem Dorfpriester schien es aber bei seinen kleinen Messdienerinnen nicht schnell genug zu gehen und so half er schnurstracks ein wenig nach, indem er das Messbuch schon ein wenig heftig dem Mund der kleinen Messdienerin näherbrachte. Es lag schon eine gewisse Komik in dieser etwas robusten Geste.
Dann kam die Fußwaschung, eine der rituellen Gründonnerstagszeremonien in der der Priester seinen Dienst am Nächsten als wichtige Aufgabe demonstriert.
Unser Priester hier in in dem kleinen Nest in den Alpujarras würde nun also den 12 Herren der Bruderschaften des Ortes die Füße waschen. Mit einem Waschgeschirr, wie wir es noch aus den 50er Jahren kennen, zogen die Messdienerinnen mit ihrem Pastor los, um den Männern der Bruderschaften die Füße zu waschen. Ob es daran lag, dass sich der an sich recht wendige Pastor nicht richtig bücken konnte? Jedenfalls ließ er zwar das Wasser aus der Kanne über die Füße der Männer laufen, gewaschen und abgetrocknet haben aber die Kinder den Männern die Füße und mein Begleiter grinste mich verständnisinnig an.
Bei der Wandlung vergaßen dann die Messdienerinnen die Altarschellen zu läuten und als der
Pastor sie darauf aufmerksam machte, fanden sie die Schellen nicht. Auch das nahm man hier recht gelassen.
Und dann fragte der Priester während des Hochgebets doch tatsächlich die Mädels am Altar (wohl um sie zu prüfen): „Na, wie heißt denn unser Papst?“ und alles war (wegen des Mikro auf dem Altar) bis in die letzte Bankreihe zu hören. Eine der Kleinen antwortete: „Franziskus“ und der Pastor betete weiter: „. . . vereint mit unserem Papst Franziskus. . .“
Zum Schluss gab es dann noch eine größere Panne, die für Aufregung sorgte: Wo ist die Monstranz? Der dünne ältere Mann lief aufgeregt in die Sakristei – es dauerte und dauerte und dauerte und letztendlich musste der gute Pastor improvisieren. Weder der dünne Mann noch die kostbare Monstranz wurden bis zum Ende der Messe gesichtet.
Das wär der Stoff, aus dem ein Krimi um die Semana Santa entstehen könnte, in einem kleinen Dorf in den Alpujarras.
Nach Beendigung der Messe zog die Prozession mit 4 Pasos durch die Gassen des Dorfes. Fast alle Einwohner, viele als Bruderschafts- oder Orchestermitglieder, haben daran teilgenommen.
Wenn man bedenkt, dass dieser Ort nur etwa 700 Einwohner hat, so bringen sie schon wirklich was auf die Beine: 4 Bruderschaften und ein hervorragendes Orchester.
Für uns endet dieser Jueves Santo in den Alpujarras bei und wir fahren zurück in unser Dorf am Meer.