Re: Unruhen in fünfzig Städten - auch in Alicante und Valenc
Verfasst: Sa 28. Mai 2011, 05:07
Brutaler Polizeieinsatz in Barcelona gegen Demonstranten
BARCELONA / SPANIEN (28.05.2011): Die spanische Staatsmacht schlägt zurück und löste gestern das Camp der Demonstranten auf dem Plaza de Cataluña gewaltsam auf, wo etwa 200 Mitglieder der spanischen Protestbewegung seit zwölf Tagen campierten. Bei den Auseinandersetzungen wurden nach Angaben der Behörden mehr als 120 Menschen verletzt, darunter 37 Polizisten.
Die Beamten waren mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen. Die Polizeiführung begründete die Aktion damit, dass der Platz gereinigt werden sollte. Außerdem sollten gefährliche Gegenstände beseitigt werden. Die Polizei befürchtet, dass es am Samstag nach dem Finale der Champions League zwischen FC Barcelona und Manchester United in London zu Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans und Demonstranten kommen könnte.
Die Räumung hatte zur Folge, dass Tausende von Bewohnern der katalanischen Metropole ins Zentrum der Stadt strömten, um die Demonstranten zu unterstützen. Die Sicherheitskräfte zogen sich zurück. Sie wiesen darauf hin, dass der Platz nur vorübergehend geräumt werden sollte, um den Reinigungskräften den Zugang zu ermöglichen. Die Demonstranten hatten den Reinigungsfahrzeugen mit Sprechchören wie „Wir haben keine Angst“ den Weg versperrt.
Aktuelle Bilder vom brutalen Polizeieinsatz gegen das Protest-Camp in Barcelona
Nach dem Rückzug der Polizei bauten die Demonstranten ihr Zeltlager wieder auf. Sie gehören zur Protestbewegung „Echte Demokratie jetzt!“, die gegen die Arbeitslosigkeit und die Vorherrschaft der großen Parteien gerichtet ist. Vor einer Woche hatten die Proteste Zehntausende von Spaniern mobilisiert und weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
In Madrid forderten die Stadtverwaltung und die Region die Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero auf, dafür zu sorgen, dass das Protestlager im Zentrum der Hauptstadt aufgelöst werde. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba sagte, er werde mit der Polizei über die Lage beraten und dann eine Entscheidung treffen.
Gerade die jungen Menschen in Spanien glauben den Politikern kein Wort mehr. Arbeitslosigkeit, Korruption, Wahlsystem - die spanische Jugend hat viele Gründe, auf die Straße zu gehen. Den etablierten Parteien und Organisationen vertrauen sie nicht.
"Wir leben in einer politischen Farce", sagt der 28-jährige Chef des "Lesesaales". Andrés ist Soziologe "mit gutem Abschluss" und dennoch seit eineinhalb Jahren arbeitslos. "Die Politiker sind völlig abgehoben", beschwert er sich. Der Kommunal- und Regionalwahlkampf zeige einmal mehr, dass sie sich nicht um die tatsächlichen Probleme der Menschen kümmerten.
Die beiden großen Parteien würden sich gegenseitig die Schuld an der Krise geben, versuchten mit den aus dem Bürgerkrieg geerbten Ängsten vor dem jeweils anderen Lager die Ihrigen zu mobilisieren und bezichtigten sich gegenseitig der Korruption. "Dabei sind die Korrupten auf allen Listen. Über 260 Politiker, die der Korruption angeklagt sind, oder schon in erster Instanz verurteilt wurden, kandidieren", nennt Andrés eine Zahl, die hier jeder kennt.
Die Menschen auf dem Platz fordern eine Verfolgung der Korruption und ein neues Wahlgesetz. Mit dem aktuellen Wahlverfahren haben kleine Parteien keine Chance. Ein Blick auf die Zusammensetzung des spanischen Parlaments, das im Frühjahr 2012 gewählt wird, zeigt dies. Die dritte Kraft im Lande, die Vereinigte Linke, hat mit einer Million Stimmen nur zwei Abgeordnete. Die regierende sozialistische PSOE und die konservative Volkspartei mit jeweils um die zehn Millionen Wählern 169 und 152 Abgeordnete, und damit knapp die Hälfte des Parlaments.
Ein "brutales Zweiparteiensystem" nennt Fabio Gandara dies. Der 26-Jährige ist einer der wenigen bekannteren Gesichter der Proteste. Der Blogger und Facebook-Fan gehört zu den Gründern von "Echte Demokratie - jetzt!" Vor drei Monaten entstand die Plattform im Internet. "Die Wenigsten kannten sich persönlich. Wir waren auf allerlei Facebook-Seiten mit sozialen und politischen Inhalten unterwegs", erzählt der arbeitslose Anwalt.
Auch er schimpft auf die Politik zur Krisenbewältigung. In der neoliberalen Wirtschaftspolitik, seien sich die beiden großen Parteien einig. "Dabei gibt es genug Geld, um die Krise sozial gerechter zu bewältigen", meint er und redet von Steuern auf Finanztransaktionen. Doch die Politik sei längst "in den Händen der internationalen Märkte".
Nach den Kommunal- und Regionalwahlen am 22. Mai will "Echte Demokratie - jetzt!" konkrete Themen, wie die Mobilisierungen für ein gerechteres Wahlsystem, in Angriff nehmen.
Das Costa-Blanca-Forum dankt comprendes.de - Das Spanienmagazin für die freundliche Genehmigung.
Ein kritischer Bericht hat TELEPOLIS veröffentlicht. Dort heisst es:
Gegenüber Telepolis erklärte ein Besetzer, der namentlich allerdings nicht genannt werden will: "Mit Gewalt werden die Friedlichen geräumt, um Platz für die Gewalttätigen zu schaffen." Gemeint sind gewalttätige Fans des FC Barcelona, denn der steht am Samstag gegen Manchester United im Finale der Champions-League.
Von der vom spanischen Innenminister angekündigten Verhältnismässigkeit ist auch nicht viel zu spüren. Der hatte noch vor den Wahlen erklärt, die Polizei sei dazu da, um "Probleme zu lösen und nicht um sie zu schaffen". Doch in Barcelona werden Journalisten an der Arbeit gehindert und nicht auf den abgeriegelten Platz gelassen.
Ist dies die spanische "Demokratie"?
Ganzer Bericht: http://www.heise.de/tp/blogs/8/149914
BARCELONA / SPANIEN (28.05.2011): Die spanische Staatsmacht schlägt zurück und löste gestern das Camp der Demonstranten auf dem Plaza de Cataluña gewaltsam auf, wo etwa 200 Mitglieder der spanischen Protestbewegung seit zwölf Tagen campierten. Bei den Auseinandersetzungen wurden nach Angaben der Behörden mehr als 120 Menschen verletzt, darunter 37 Polizisten.
Die Beamten waren mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen. Die Polizeiführung begründete die Aktion damit, dass der Platz gereinigt werden sollte. Außerdem sollten gefährliche Gegenstände beseitigt werden. Die Polizei befürchtet, dass es am Samstag nach dem Finale der Champions League zwischen FC Barcelona und Manchester United in London zu Auseinandersetzungen zwischen Fußballfans und Demonstranten kommen könnte.
Die Räumung hatte zur Folge, dass Tausende von Bewohnern der katalanischen Metropole ins Zentrum der Stadt strömten, um die Demonstranten zu unterstützen. Die Sicherheitskräfte zogen sich zurück. Sie wiesen darauf hin, dass der Platz nur vorübergehend geräumt werden sollte, um den Reinigungskräften den Zugang zu ermöglichen. Die Demonstranten hatten den Reinigungsfahrzeugen mit Sprechchören wie „Wir haben keine Angst“ den Weg versperrt.
Aktuelle Bilder vom brutalen Polizeieinsatz gegen das Protest-Camp in Barcelona
Nach dem Rückzug der Polizei bauten die Demonstranten ihr Zeltlager wieder auf. Sie gehören zur Protestbewegung „Echte Demokratie jetzt!“, die gegen die Arbeitslosigkeit und die Vorherrschaft der großen Parteien gerichtet ist. Vor einer Woche hatten die Proteste Zehntausende von Spaniern mobilisiert und weltweit für Schlagzeilen gesorgt.
In Madrid forderten die Stadtverwaltung und die Region die Regierung von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero auf, dafür zu sorgen, dass das Protestlager im Zentrum der Hauptstadt aufgelöst werde. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba sagte, er werde mit der Polizei über die Lage beraten und dann eine Entscheidung treffen.
Gerade die jungen Menschen in Spanien glauben den Politikern kein Wort mehr. Arbeitslosigkeit, Korruption, Wahlsystem - die spanische Jugend hat viele Gründe, auf die Straße zu gehen. Den etablierten Parteien und Organisationen vertrauen sie nicht.
"Wir leben in einer politischen Farce", sagt der 28-jährige Chef des "Lesesaales". Andrés ist Soziologe "mit gutem Abschluss" und dennoch seit eineinhalb Jahren arbeitslos. "Die Politiker sind völlig abgehoben", beschwert er sich. Der Kommunal- und Regionalwahlkampf zeige einmal mehr, dass sie sich nicht um die tatsächlichen Probleme der Menschen kümmerten.
Die beiden großen Parteien würden sich gegenseitig die Schuld an der Krise geben, versuchten mit den aus dem Bürgerkrieg geerbten Ängsten vor dem jeweils anderen Lager die Ihrigen zu mobilisieren und bezichtigten sich gegenseitig der Korruption. "Dabei sind die Korrupten auf allen Listen. Über 260 Politiker, die der Korruption angeklagt sind, oder schon in erster Instanz verurteilt wurden, kandidieren", nennt Andrés eine Zahl, die hier jeder kennt.
Die Menschen auf dem Platz fordern eine Verfolgung der Korruption und ein neues Wahlgesetz. Mit dem aktuellen Wahlverfahren haben kleine Parteien keine Chance. Ein Blick auf die Zusammensetzung des spanischen Parlaments, das im Frühjahr 2012 gewählt wird, zeigt dies. Die dritte Kraft im Lande, die Vereinigte Linke, hat mit einer Million Stimmen nur zwei Abgeordnete. Die regierende sozialistische PSOE und die konservative Volkspartei mit jeweils um die zehn Millionen Wählern 169 und 152 Abgeordnete, und damit knapp die Hälfte des Parlaments.
Ein "brutales Zweiparteiensystem" nennt Fabio Gandara dies. Der 26-Jährige ist einer der wenigen bekannteren Gesichter der Proteste. Der Blogger und Facebook-Fan gehört zu den Gründern von "Echte Demokratie - jetzt!" Vor drei Monaten entstand die Plattform im Internet. "Die Wenigsten kannten sich persönlich. Wir waren auf allerlei Facebook-Seiten mit sozialen und politischen Inhalten unterwegs", erzählt der arbeitslose Anwalt.
Auch er schimpft auf die Politik zur Krisenbewältigung. In der neoliberalen Wirtschaftspolitik, seien sich die beiden großen Parteien einig. "Dabei gibt es genug Geld, um die Krise sozial gerechter zu bewältigen", meint er und redet von Steuern auf Finanztransaktionen. Doch die Politik sei längst "in den Händen der internationalen Märkte".
Nach den Kommunal- und Regionalwahlen am 22. Mai will "Echte Demokratie - jetzt!" konkrete Themen, wie die Mobilisierungen für ein gerechteres Wahlsystem, in Angriff nehmen.
Das Costa-Blanca-Forum dankt comprendes.de - Das Spanienmagazin für die freundliche Genehmigung.
Ein kritischer Bericht hat TELEPOLIS veröffentlicht. Dort heisst es:
Gegenüber Telepolis erklärte ein Besetzer, der namentlich allerdings nicht genannt werden will: "Mit Gewalt werden die Friedlichen geräumt, um Platz für die Gewalttätigen zu schaffen." Gemeint sind gewalttätige Fans des FC Barcelona, denn der steht am Samstag gegen Manchester United im Finale der Champions-League.
Von der vom spanischen Innenminister angekündigten Verhältnismässigkeit ist auch nicht viel zu spüren. Der hatte noch vor den Wahlen erklärt, die Polizei sei dazu da, um "Probleme zu lösen und nicht um sie zu schaffen". Doch in Barcelona werden Journalisten an der Arbeit gehindert und nicht auf den abgeriegelten Platz gelassen.
Ist dies die spanische "Demokratie"?
Ganzer Bericht: http://www.heise.de/tp/blogs/8/149914