(..................abschließender Teil der Reise durch Gujarat...............)
Für heute haben wir eine Nordschleife geplant. Es geht zu Dörfern in der Wüste Thar, die sich von der Arabischen See bis weit nach Norden erstreckt und die beiden verfeindeten Staaten Indien und Pakistan trennt . Auf der zunächst gut asphaltierten Straße geht es vorbei an Einrichtungen des Militärs, und natürlich passieren wir auch eine Polizeikontrolle, wo wir registriert werden.
Nach einer Stunde Fahrt erreichen wir nacheinander die Dörfer Zura und Nirona. Als erstes besichtigen wir eine kleine Werkstatt, in der Glocken aus Blech hergestellt werden. Als gelernter „Metaller“ bin ich erstaunt über die Fertigkeit, mit der die Teile aus Blech geschnitten, geformt und ohne Schweißen oder Löten verbunden werden.
Aus einer Kollektion unterschiedlichster Glocken kaufen wir auch ein kleines Souvenir.
In einem anderen Haus, das uns Bharat zeigt, sitzt eine Frau mit ihrer Tochter auf dem Fußboden und fertigt feine, traditionelle Embroidery. Stickereien auf Bekleidung, Tüchern, Decken.
Weiter geht es dann nach Norden, auf die pakistanische Grenze zu, die vielleicht noch 50 km entfernt ist. Manchmal passieren wir eine Zone mit etwas Grün. Dann gibt es auch Tiere zu sehen. Der Reichtum vieler Wüstenbewohner besteht aus ihren Herden.
In Hodka sehen wir einer Familie zu, wie sie im Freien unter einem Vordach Souvenirs aus Holz fertigt, die zum Schluss mit einem „Fiedelbogen“ in Rotation versetzt und kunstvoll eingefärbt werden.
So entstehen z. B. Kochlöffel oder Cricket-Schläger. Ein ganzer Familienclan sitzt in der Nähe im Halbkreis und bietet Sachen zum Verkauf an. Bestickte Täschchen, kleine Puppen und andere Handarbeiten.
Als nächstes streifen wir den Ort Ludia, in dem eine Gruppe von Rundbauten mit traditioneller Bemalung zu sehen ist.
Vor einigen Häuschen versuchen uns Frauen und Kinder heranzuwinken, um einen Blick auf ihre Erzeugnisse zu werfen.. In einem der Rundhäuser schauen wir uns zusammen mit einer kleinen Reisegruppe von Deutschen die Näh- und Stickarbeiten einer Harjan - Familie an.
Um von der Gruppe wegzukommen, besuchen wir auch andere Häuser. Die angebotenen Handarbeiten sind alle bunt und viele ähnlich. Kleider, Tücher, kleine Teppiche, Wandschmuck.
Hier im Dorf wirkt die Präsentation recht professionell, aber wir kaufen trotzdem etwas. Als ich danach eines der wunderschön gekleideten und geschmückten Mädchen fotografieren will, verlangt es Geld. Mit „Pidgeon-English“, also wenigen einfachen Worten und theatralischen Gesten versuche ich ihm klarzumachen, welche negativen Folgen mit dieser Forderung verbunden sein könnten, wo doch immer mehr Touristen über Erlebnisse berichten und ihre Reiseziele mit Hilfe von Internet-Bewertungen planen. Sie versteht offensichtlich, was ich sagen will und drängt mich dann fast zu einem Foto. (Bild unten, rechts)
Der letzte Ort auf der heutigen Rundtour ist Khavda. ein staubiges Dorf, in das wir ohne Führer nie hineingefahren wären. Er bringt uns zu einer befreundeten Familie, bei der wir uns pudelwohl fühlen. Sie formt, brennt und bemalt Keramik. Becher, Teller, Karaffen, kleine Statuetten.
Die Kinder scharen sich offen und neugierig um uns, die Großmutter versteht sich mit Margot bestens, und so bleiben wir eine ganze Weile, ohne über ein „Geschäft“ zu sprechen.
Dass wir zum Schluss 2 kleine Becher zu einem geringen Preis mitnehmen, geht bei unseren Gesprächen völlig unter. Wichtig ist dagegen, dass wir geredet, viel gelacht und erzählt haben sowie gemeinsame Fotos machen. (Diesen Leuten haben wir nach der Reise Fotos über Mr. Jethi und Bharat zukommen lassen.)
Dann geht es wieder zurück nach Bhuj, wobei wieder langsam der Verkehr einsetzt:
Heute wollen wir nicht mehr viel unternehmen. Allerdings besorgen wir uns noch das Motorrad, das wir zuvor hatten, um an unserem letzten Tag eine weitere Runde durch ein paar Dörfer zu machen.
So starten wir früh und statten den staubigen und verschlafenen Ortschaften Habay, Lodai, Kotay und Dhrang einen Besuch ab, wobei uns vor allem auch die hügelige Landschaft interessiert, die langsam wüstenartigen Charakter annimmt, je weiter wir kommen. Hier und da begegnen uns Männer und Frauen in ihren traditionellen Kleidern, immer ein „Hingucker“. Die meisten Einheimischen sind in diesen Dörfern allerdings "einfach" und eher westlich gekleidet.
Bei Habai existiert eine katholisch organisierte und von Ordensschwestern geleitete Schule, in die ich einfach mal hinein gehe. Schnell werde ich ins Sekretariat zu einem Tee eingeladen, und Margot wird rasch dazu geholt. Die Schwestern sind alle aus Kerala (Südindien) und arbeiten hier für eine bestimmte Zeit. Die Schüler und Schülerinnen sind in der überwiegenden Zahl hinduistischen oder islamischen Glaubens. Die Substanz und Einrichtung der Gebäude machen einen sehr guten Eindruck. Die Disziplin und Motivation scheinen auf den ersten Blick recht gut zu sein. Der Bildungsstandard sei hoch, gemessen an dem staatlicher Schulen.
Am Nachmittag kehren wir wieder ins Hotel zurück und geben später das Motorrad ab. Abends sind wir dann eingeladen, essen im Haus unseres Gastgebers lecker und unterhalten uns gut mit ihm, dessen Freund und 3 jungen Damen, die als Verwandte ebenfalls eingeladen sind. Die Gastgeberin ist meist mit dem Kochen beschäftigt. Es gibt tatsächlich auch Bier, nach längerer Zeit mal wieder lecker !
Am Morgen danach schauen wir uns noch den fast neuen Shree Swaminayan Tempel an , eine architektonische Meisterleistung in weißem Marmor und eines der großen Heiligtümer der Jain. Der alte Tempel war beim Erdbeben so sehr beschädigt worden, dass ein neuer errichtet wurde.
Hier genießen wir die Stille und die friedvolle Atmosphäre, während gleichzeitig eine mit Staubwedeln bewaffnete Putz-Brigade arbeitet und draußen in sicherer Entfernung der Verkehr brodelt. Bemerkenswert sind u.a. die Intarsien im Boden des Tempels: allerfeinste Handwerkskunst.
Danach packen wir, duschen und lassen uns zum Airport bringen, wo wir die üblichen Mehrfach-Checks durchlaufen und sogar noch außerhalb des Gebäudes unser Gepäck identifizieren müssen, bevor es zur Maschine gebracht wird.
Zwei Stunden später sind wir in Mumbai, wo uns ein Shuttle-Service zu unserem Hotel bringt. Abends drehen wir bereits eine Runde in unserem „Revier“ in der gößten Stadt Indiens mit allein 12 Mill. Einwohnern der Kernstadt. Über unser Nokia Handy mit GPS sind wir glücklich, denn es führt uns zuverlässig durch weniger ausgeleuchtete Ecken.
Um mit dem Rückflug kein Risiko einzugehen, hatten wir einen Puffertag eingeplant. Den nutzen wir, um Erinnerungen an frühere Aufenthalte aufzufrischen. Mit einem Zug fahren wir im dichtesten Berufsverkehr in den Stadtteil Colaba, wo wir den ganzen Tag herumschlendern.
Nachdem wir uns Plätze, Gebäude, die National Gallery of Modern Art, den Platz mit dem Gateway of India sowie einige Cafés angeschaut haben, kehren wir gegen Abend zum Hotel zurück. Der Kontrast zwischen der beschaulichen Wüstenlandschaft und der brodelnden Metropole hätte größer nicht sein können !
Am nächsten Morgen haben wir einen reibungslosen Flug nach Istanbul. Die Girls in der Reihe neben uns scheinen noch das Nachtleben Mumbais in den Knochen zu haben.
Nach ca. 6 Stunden erreichen wir die türkische Metropole.Dort haben wir einen ganzen Nachmittag und Abend Zeit für einen Stadtbummel und anschließend eine Nacht in einem 4-Sterne-Hotel.
Am allerletzten Tag unserer Reise werden wir ganz bequem zum Airport gebracht und sitzen die knapp 4 Stunden nach Valencia ebenso locker ab wie die Rückkehr im eigenen Auto nach Moraira. Es stand sicher verstaut in einer Tiefgarage nahe des Flughafens Valencia.
Fazit: Einmal mehr haben wir Indien bereist. Es gab viele neue Erfahrungen, dazu die Erkenntnis, dass wir auch im etwas gehobenen Alter noch nicht auf diese individuelle und selbst organisierte Art des Reisens verzichten müssen.
Wir haben es genossen, unsere Familie in Jammu wiederzusehen, haben interessante Menschen getroffen und reizvolle Einblicke in die Lebensart der Menschen in Gujarat bekommen. Der Jainismus mit seinen großartigen Bauwerken hat uns ebenso fasziniert wie pichichi, und dies gilt auch für die handwerkliche Kunst in den Dörfern mit ihren kleinen Werkstätten. Und dann die Farbenpracht, mit der vor allem die Frauen den oft tristen Alltag im Wüstenstaat aufzuhellen versuchen !
Die Armut, die sozialen Probleme und den Schmutz in diesem Land haben wir dabei nicht übersehen. Aber im Gegensatz zu den Ländern mit christlicher Prägung (Bsp. Teile Mittel- und Südamerikas) kommen die Armen hier offensichtlich besser klar, und dies wirkt sich natürlich auch auf uns als Touristen aus. Wer hier offen auf die Menschen zugeht, wird kaum enttäuscht. Nach wie vor ist der indische Subkontinent eine der Regionen, die man ziemlich problem- und gefahrlos bereisen kann, wenn es auch Ausnahmen gibt wie z.B. Kashmir . Und bezahlbar ist eine Reise wie unsere allemal.
Quizfrage: Was hat uns der 5-wöchige Trip wohl gekostet, selbst die Parkplatzgebühren in Valencia eingerechnet ?
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