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Re: Ist das Kunst?

Verfasst: So 10. Sep 2023, 18:30
von Atze
Religion und Kunst haben wohl den gleichen Ursprung: Mit der Abbildung eines Gegenstandes, Tieres oder Menschen will der Künstler eine Beziehung zu dem Objekt aufbauen, evtl. auch eine gewisse Macht ausüben. Dazu musste er über die fotografische Darstellung hinausgehen, seine persönliche Sicht, seine Gefühle mit einbringen.
Die Wildpferde in der Chauvet-Höhle sind schon in der Einzelabbidung einzigartig. Unvergleichlich werden sie erst durch die geniale Umsetzung der Bewegung, die erst im Kopf des Künstlers stattfand und sich dann als Mehrfachkontur an der Felswand niederschlug, so dass wir uns mehr als 30-tausend Jahre später fast wie im Kino wähnen.
Nein, eine 1 zu 1 Abbildung ist nicht notwendig, oft sogar hinderlich, damit Kunst zu Kunst wird und vor allem bleibt.
Der Begriff Kunst schwankte schon immer zwischen Handwerk, das nach überlieferten Regeln und Stilen arbeitete und Individualität, mit der der Künstler für sich neue Regeln entwickelte und erfand.
An der Gotik z. B. entzweiten sich die Geister. Vasari fand diesen Stil primitiv und barbarisch und benannte sie nach der Besetzung Italiens durch die Goten. Diesem Urteil wurde Jahrhunderte lang gefolgt. Goethe sah das in seinem Aufsatz "Von deutscher Baukunst" aber anders und betonte hymnisch das individuelle Genie des Erbauer des Straßburger Münsters. (wobei heute die Rolle Erwin von Steinbachs differenzierter gesehen wird).
So großartig uns die Bauten der Gotik heute vorkommen, so ratlos stehen wir den figürlichen Darstellungen aus dieser Zeit gegenüber. Gegenüber den Statuen der griechisch-römischen Antike (die aus ästhetischen Gründen aber auch nicht immer korrekt waren) erscheinen uns die in unnatürlichen Gesten erstarrte Figuren gelinde gesagt rückschrittlich. Diese sich wiederholende Haltung der Hände, diese unnatürliche Darstellung der Füße.
Das alles hatte aber damals eine bekannte! Bedeutung, die weniger von einem mangelnden Können als von einem mangelnden Wollen des Künstlers zeugen. Entgegen Goethes Meinung war Individualität in der Gotik eher nicht angesagt. Individualisten, die sich gegen die anerkannte Ordnung stellten störten da eher.
Heute muss (oder glaubt es zu wissen) ein Künstler in erster Linie originell sein. Notfalls stellt er halt seine Bilder auf den Kopf.

Und meine Lieblingskünstler?
U. a. Giotto, Caravaggio und Turner
Vielleicht, weil sie jeweils am Beginn einer Epoche stehen (Renaissance, Barock und Impressionismus) und damit für ihre Zeit etwas neues schufen.

Re: Ist das Kunst?

Verfasst: So 10. Sep 2023, 22:16
von Oliva B.
Cozumel hat geschrieben: Sa 9. Sep 2023, 09:48 Ich bekenne mich als Kunstbanause.

In meine Wohnung kommen nur Gemälde die mir Vergnügen schaffen, wenn ich sie anschaue.
Ob die wertvoll sind oder einen Vermögenszuwachs bringen interessiert mich nicht.


Ich versuche gerade eine Bild von Jack Vettriano günstig zu ergattern. Weil es mit gefällt. Natürlich nur als Kunstdruck, ich bin ja kein Millionär.
https://www.wayfair.de/accessoires/pdp/ ... u6973.html


Basi, erinnert Du dich an das Bild, dass ihr für mich mitgebracht habt? Mit den Flamencoschuhen? Das ist mein Lieblingsbild geworden.
Cozumel, dieses Mal bin ich ganz bei dir. >:d<

Den britischen Maler Jack Vettriano (*1951) musste ich erst einmal googeln :oops: , da hatte ich eine Bildungslücke, :-s Sein bekanntestes Bild ist The singing Butler.

Die Bilder Vettrianos erinnern mich an den rund 90 Jahre früher in Valencia geborenen und hier sehr bekannten Maler Joaquín Sorolla y Bastida (*1863).

Ich liebe die Bilder des amerikanischen Malers Edward Hopper(*1882).
Zwischen ihm und dem fast 70 Jahre später geborenen Vettrianao liegen Welten. Die Bilder von Hopper kommen mir sehr viel moderner vor.
Als Hopper 1967 starb, hatten viele seiner Bilder in Europa längst den Status von Ikonen der Moderne.

Die oft sehr düsterne Bilder der vergangenen Jahrhunderte sehe ich mir gerne mal in Museen an, Zuhause möchte ich sie noch nicht einmal als Original hängen haben. Offensichtlich bin ich auch so eine Kunstbanausin (Person Bildmit unzulänglichen, flachen, spießigen Ansichten in geistigen oder künstlerischen Dingen; Mensch ohne Kunstverständnis und ohne feineren Lebensstil, Duden).
. L-)

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Mo 11. Sep 2023, 12:03
von depende
da halte ich es mit der Redensart: "Kunst liegt immer im Auge des Betrachters". Kunstbanausen kann es daher quasi nicht geben.... :)

An einem Frühlings- oder Sommertag in die

https://www.fondation-maeght.com

in 06570 Saint-Paul de Vence, France zu spazieren kann extrem beglücken, wen auch immer. Im Garten stehen Skulpturen von Alberto Giacometti (1901-1966). Was gibt es schöneres?

Zum Glück hat man im Haus vier Wände,die es zu bestücken gilt. Entweder mit eigenen oder fremden Bildern. Bei mir hängen Sorolla und Monet in Erinnerung an das Mittelmeer und Chagall wegen der Liebe und einige andere gesammelte Werke.....
20230911_113457 (Copy).jpg
20230911_113553 (Copy).jpg
und bald geht wieder das herbstliche Kochen los..... es gibt demnächst in diesem Theater Entenbrust mit einer schwarzen Knoblauchsauce und Artischockenmus. Wann genau weiss ich noch nicht aber bald......

:x

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Mo 11. Sep 2023, 14:54
von Miesepeter
Wenig oder gar kein Kunstverständnis braucht man bei Kunsthonig, Kunstleder, Kunstseide, Lachsersatz, Kunstauge oder künstlicher Besamung (u.a.m.)

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Mo 11. Sep 2023, 15:26
von nurgis
Wie kann ich echte Kunst erkennen?
Vor Jahrzehnten war ich mit einer Freundin in der neuen Pinakothek in München. Vor einem "Bild" mit 2 aufgeklebten Strohhalmen, ein paar Haaren und einem Papierschnitzel riss sie mich zurück: "Sigrun, das ist toll! Was sich der Künstler wohl dabei gedacht hat". Ich konnte nur denken, er hat seinen Tisch gereinigt. :sad:

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Mo 11. Sep 2023, 16:54
von vitalista

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Mo 11. Sep 2023, 17:56
von nurgis
Fantastische Arbeit und Gestaltung!

Re: Wann gilt Kunst als Kunst?

Verfasst: Di 12. Sep 2023, 01:19
von Cozumel
Die Bilder Vettrianos erinnern mich an den rund 90 Jahre früher in Valencia geborenen und hier sehr bekannten Maler Joaquín Sorolla y Bastida (*1863).

Ich liebe die Bilder des amerikanischen Malers Edward Hopper(*1882).
Zwischen ihm und dem fast 70 Jahre später geborenen Vettrianao liegen Welten. Die Bilder von Hopper kommen mir sehr viel moderner vor.
Als Hopper 1967 starb, hatten viele seiner Bilder in Europa längst den Status von Ikonen der Moderne.
Hopper, Vettriano und Joaquín Sorolla y Bastida haben einen ähnlichen Stil, wobei Vettriano nicht unumstriten ist.
Ich mag die klaren Linien seine Bilder trotzdem. Aber nicht alle seine Motive gefallen mir.
Mal sehen wenn es hängt. :-? :)