In einem Jahr unserer Wanderungen trafen wir im Bahnhof von Vichy auf zwei nette Schweden, die auf dem gleichen europäischen Fernwanderweg unterwegs waren. Was lag näher als gemeinsam zu wandern? Kirstin war Kinderärztin und sie kam an meinem blasengeplagten Fuß (durch die ekligen Kunststoffschalenwanderschuhe) schon bald zum Einsatz. Mit ihrem Mann Anders wurde in den Pausen fleißig schwedisch/deutsch gepaukt. Mit den beiden hatten wir viel Spaß, besonders, wenn Anders morgens an unser Zelt trat und verkündete: „Chef de Cuisine, wir aben vier Graden“. Mich überkommt noch heute das Frieren, wenn ich daran denke, wie wir es fertig brachten, uns bei der Temperatur aus den warmen Daunenschlafsäcken zu schälen.
Mit diesen beiden netten Menschen haben wir einige Puys der ganzen Kette dieser vulkanischen Berge erwandert und strebten nun dem Höhepunkt dem Gipfel des Puy de Dôme zu.
- lang, lang ist‘s her
Was wir mittlerweile nicht nur gelesen, sondern am eigenen Leibe gespürt hatten, das war die Beständigkeit des unbeständigen Wetters.Temperaturschwankungen von ca. 25 Grad innerhalb von 24 Stunden waren nicht selten und Regen - nun ja, nicht umsonst findet man auf Postkarten aus der Auvergne die Menschen häufig mit Regenschirmen dargestellt.
So war es auch, als wir am Fuße des Puy de Dôme lagerten, um ihn am nächsten Morgen zu „bezwingen“, um in den Ruinen des Merkurtempels dem ollen Römergott ein Rauchopfer darzubringen. Sollte eigentlich kein allzu großer Akt sein, der Aufstieg. Wenn da nicht . . .
Dicke laute Regentropfen prasselten am nächsten Morgen auf unsere Zelte. Das fing ja gut an und es wollte und wollte nicht aufhören zu regnen. Die ganze Gegend verwandelte sich in ein nebelhaftes, graues, feuchtes Gewaber und vom Gipfel war natürlich nichts zu sehen - nixe, absolutamente nada! Was tun? Erst mal abwarten. Was hätten wir anders tun sollen? Es gab weder Bus noch Bahn noch Hotel in erreichbarer Nähe. Also mussten wir - ob wir wollten oder nicht - warten, bis es aufhörte zu regnen.
Gegen 14 Uhr dann hatte der Schnürliregen aufgehört und wir setzten langsam unsere Gehwerkzeuge in Bewegung. Alles war klamm und fühlte sich nicht angenehm an: T-Shirts, Pullover, Hosen, Socken und die Zelte, die mussten natürlich nass in die Rucksäcke gepackt werden. Gesenkten Hauptes, die Kapuzen weit ins Gesicht gezogen stiefelten wir nun dem Gipfel unserer Begierde entgegen.
Gesehen? Nö, gesehen haben wir so gut wie nichts, denn die graue Nebelsuppe war immer noch all überall. Bergan war uns ja von der Anstrengung noch warm gewesen, doch als wir oben waren, froren wir so erbärmlich, dass wir nicht viel Zeit dort verbrachten.
Ob das Rauchopfer Merkur gefallen hat? Keine Ahnung, mir jedenfalls hat die feuchte Gauloises nicht sonderlich geschmeckt
Bald schon machten wir uns an den Abstieg.
Beim Abschiedsessen von unseren schwedischen Begleitern in Clermont-Ferrand ließen wir die Tour noch einmal Revue passieren und stellten einstimmig fest: Auch wenn uns das Wetter keine schöne Sicht vom Gipfel auf die Umgebung freigegeben hatte, auch wenn so Manches auf unserer Tour nicht so lief, wie wir geplant hatten, so haben wir jede Menge erlebt und Erfahrungen gesammelt auf unserer Tour. Und darum lautet die Quintessenz unserer gesamten Wanderungen: Der Weg ist das Ziel!
Den Atlantik haben wir übrigens nie erreicht, denn in Clermont-Ferrand war leider auch unser gemeinsamer Weg zu Ende und Kurt schaut auch schon viele Jahre aus anderen Sphären auf unsere Erde herab.
Weitere Wanderungen und Begebenheiten zu diesem Thema gibt es beim nächsten Mal