Kiebitz hat geschrieben: ↑Mo 29. Jul 2019, 11:20
Hier ist mir ein Leserbrief aufgefallen, von einer Jacqueline Hafner. Sie führt eine Menge "Fakten" auf die ich einfach nicht glauben kann, so schlimm und unglaublich sind sie. Vielleicht kann jemand das bestätigen oder hoffentlich als Unsinn und Übertreibung abtun.
http://www.costa-info.de/cgi-bin/wopo/f ... read=18561
Ja, das IST Unsinn und Übertreibung und wird in dieser und ähnlichen Form seit Jahren gerne in entsprechenden Foren herumgereicht, ohne dass es deshalb wahrer wird.
Obwohl ich wahrlich nicht zu den Stierkampfbefürwortern zähle und diesem blutigen Schauspiel nicht abgewinnen kann, bin ich immer wieder fassungslos, auf welche im Internet verbreiteten Lügen gewisser Kreise immer wieder hereingefallen wird:
Angefangen von dem Märchen, dass der Stierkampf mit 600 Mill Euro von der EU bezuschusst wird.
Dann, dass den Stieren regelmäßig die Hörner beschliffen werden (was übrigens nicht schmerzhaft ist).
Dass sie Abführmittel vorher bekommen, um sie zu schwächen. Das Publikum will einen "gesunden", kräftigen Stier sehen und nicht einen, dem die Kacke an den Fersen runterläuft.
Dass sie mit Phenylbutazon "gedopt" werden (Wurde tatsächlich als "Geheimtip" mal verwendet, hat bei Stieren nur die Wirkung, dass man das Fleisch hinterher nicht mehr verwerten darf). Die Idee kam aus dem Pferde"sport". Phenylbutazon ist dort bei Schwellungen und Verletzungen gang und gäbe.
Wirkt aber bei Rindern nicht. Und: Was denn nun? Angeblich will man die Tiere schwächen, dann gibt man ihnen aber ein schmerzstillendes Medikament?
Trotzdem halte ich den Stierkampf für ein blutiges Spektakel, für das ich mich nicht erwärmen kann - aber es ist halt auch nicht meine Kultur.
Die 20 Minuten, die der Stier vollgepumpt mit Adrenalin bis zu seinem Tode erlebt erscheinen mir unnötig grausam. Andererseits ist die vorhergehende gezielte Schwächung der Nackenmuskulatur wohl eine unabdingbare Voraussetzung für den gezielten Degenstoß.
Zum Schluss lasse ich mal Horst Stern zu Worte kommen, ein großer, leider schon verstorbener wirklicher Tierschützer:
"
Es kam mit der Post ein Papier ins Haus, das mich fragte: „Kann man, als zivilisierter Mensch, zum spanischen Stierkampf eine andere als negative Einstellung haben?“
Die Frage war rein rethorisch, denn der übrige Inhalt des Papiers machte die Meinung der Absender, einer Tierschutzorganisation, überdeutlich: dass der als ein „grausames Touristenspektakel“ gebrandmarkt und verboten gehöre. Ich war aufgefordert, mich dieser Meinung per Unterschrift anzuschliessen.
Ich unterschrieb nicht. Nicht, weil ich ein aficionado de toros, ein beinahe kritikloser Freund des Stierkampfes wäre. Ich wüsste manches gegen ihn vorzubringen. Mir gingen nur Gedanken durch den Kopf, für deren Niederschrift die Papierabsender, sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnend, keinen Raum vorgesehen hatten ...
Sie kamen mir erstmals in den Kopf, als ich in Andalusien einmal Gelegenheit hatte, in Begleitung von berittenen Hirten, den vaqueros, auf den Weiden der stierzüchtenden Sherry - und Brandy - Dynastie Domecq zu den Stieren zu reiten.
Ein unter der Grossen bei den ganaderos: Álvaro Domecq
"Man muss wissen was man haben will“, sagte der alte Álvaro Domecq zu mir, als wir nach diesem Ritt beim Essen sassen (ich hatte ihm bei meiner Ankunft schon von dem Problem erzählt, das wir Mitteleuropäer mit dem spanischen Stierkampf, der corrida de toros, oft haben).
„Wer die Urkraft und die wilde Schönheit dieser Stiere erhalten wissen will“, sagte er, „der muss auch ihren Tod im ruedo, der plaza de toros, akzeptieren. Gäbe es die corrida de toros nicht, gäbe es auch diese stolze Rinderrasse nicht. Sie verschwände von der Erde wie so viele urtümliche Tierarten vor ihr schon. Bestenfalls züchtete man aus ihr eine neue Fleischrasse heraus - für den Messertod im stinkenden Schlachthaus".
Danach führte mich Álvaro Domecq in eine kleine Privatarena, wo eine tienta vorbereitet war, eine Prüfung junger weiblicher Rinder, den vacas, auf Zuchttauglichkeit.
Die private plaza de toros von Domecq
Von ihren Reaktionen auf die Reizmanöver der ihnen zu Fuss und zu Pferd nahe kommenden vaqueros ob sie diese mutig angriffen oder ihnen furchtsam auswichen, las der alte Domecq ihr Schicksal ab: Tod durch den Metzger oder Paarung mit einem Zuchtstier zur Erhaltung der Art.
Ich sass als Ehrengast an der Seite des Herrn über Leben und Tod, und mir war in der Sonne kalt.
Don Álvaro schien es zu bemerken, denn er sagte: „Auch das Leben dieser jungen, zur Zucht ausgewählten Kühe, mit einem Kalb bei Fuss zum Herumtollen auf der Weide, zum Säugen und Ruhen Leib an Leib, gäbe es nicht ohne den Tod in der plaza de toros ihrer männlichen Kinder.“
Nach diesem Besuch auf der finca des Kampfstierzüchters, des ganadero bravo, Don Álvaro Domecq, ging ich zu weiteren Dreharbeiten für einen Rinderfilm in ein Schlachthaus. Es war ein deutsches, und es gibt, im Süden Europas, schlimmere. Junge Mastbullen liessen hier unter Bolzenschuss und Schlachtermesser ihr Leben - ein Leben auf einem glitschigen Spaltenboden über der stinkenden Kotgrube im halbdunklen Stall. Nicht einmal als - mutterlos aufgewachsene - Kälber setzen sie je einen Huf auf grünes Weideland.
Man muss wissen was man will: den öffentlichen, ritualisierten Tod des agilen Kampfstiers, des toro bravo, im Sand der plaza de toros oder eine weitere dumpfe Fleischrasse mit einem widerlichen, grausamen Tod aller ihrer Individuen.
So möchte man einem toro bravo von Domecq lieber nicht begegnen
Im Übrigen: wer sind wir, die wir Kälber um einer „Herodesprämie“ willen als wenige Tage alte Tierkinder schlachten lassen; wir, die wir um schnöder Subventionen aus Brüssel willen unsere Rinder entsetzlichen Transportqualen aussetzen; wir, die wir Hühner zu Tausenden käfigen - wer sind wir, dass wir eine Nation, in der der Stierkampf tiefe kulturelle, ja mythologische Wurzeln hat, Mores zu lehren versuchen im Umgang mit Tieren?
Es erfüllt der spanische Kampfstier, im Gegensatz zu unseren „Nutztieren“, auch die erste Grundforderung des Tierschutzes: der toro bravo hat, bevor er stirbt, wenigstens artgerecht gelebt.
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"Ein letzter Gedanke noch:
man las nie,
dass ein Metzger bei der Schlachtung eines Mastbullen
durch dessen Gegenwehr zu Tode kam."
Und auch von mir noch ein Gedanke:
Den "Kontakt abzubrechen" hat sich schon immer als ein gutes Mittel erwiesen, den Anderen von seiner Ansicht abzubringen und von der eigenen zu überzeugen???