China

Weltenbummler berichten über ihre Reiseabenteuer in andere Weltteile
Cozumel
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Re: China

Beitrag von Cozumel »

Chow-Chows werden tatsächlich gegessen, sie sollen Erkältungskrankheiten vorbeugen oder heilen.

Die Hundchen auf Deinem Foto sind doch aber Pekinesen, oder?

Man muss dabei wissen, dass Hunde in China, ich glaube sogar in weiten Teilen Asiens, nicht diesen Status als Haustiere haben wie bei uns. Inder zum Beispiel, finden es skandalös, dass wir Rindfleisch essen.
pichichi
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Re: China

Beitrag von pichichi »

wir haben das Thema ausführlich mit unserem Guide diskutiert, in den Großstädten isst niemand mehr Hund, wenn überhaupt, dann nur noch vereinzelt in den hintersten Winkeln Yünnans, wir haben auch die heikle Chose betreffend den fast unausrottbaren Aberglauben bezüglich allerlei Teilen von verschiedenen Tieren für die traditionelle chinesische Medizin, Feng Shui, etc. diskutiert, es bleibt Tatsache, dass selbst Akademiker und im Westen geschulte Leute davor nicht gefeit sind und mit Unverständnis reagieren, wenn man erwähnt, dass die Gier nach Elfenbein, Nashorn, Haifischflossen und Tigerpenis ein veritables Problem für die Erhaltung vieler bedrohter Arten ist...
pichichi
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Re: China

Beitrag von pichichi »

Longsheng, Guilin, Kunming

Eine Boeing 737 der schon bekannten China Southern bringt uns in nur 45 Minuten von Guangzhou nach Guilin, beim Landeanflug sehen wir gigantische neue Autobahn- und Schnellzugtrassen. Dort erwartet uns „Emily“ mit ihrem Fahrer, das Fahrzeug ist das gleiche wie zuvor, ein dunkler Buick Van. Darin wartet schon wieder ein riesiges Lunchpaket, das noch mit 3 Dosen Tarochips und einer Kilopackung Erdnüssen verstärkt wurde.

Weltkulturerbe Longsheng

Die Fahrt geht in die nördliche Provinz, wir passieren auf 25° nördlicher Breite ausgedehnte Orangen- und Pomelohaine, dazwischen finden sich erste Reispaddies, deren trockene Halme jetzt im Winter von allerlei Getier abgegrast werden, bevor im Frühjahr wieder neu ausgesetzt wird. Bald geht es in die Berge, die Straße ist neu asphaltiert und hat nichts mehr mit dem schlaglöcherübersäten Feldweg zu tun, den wir beim Erstbesuch in einem alterschwachen Bus unter die Räder nehmen mussten. Dafür stauen sich überladene Lkw auf den steilen Serpentinen Richtung Longsheng, wo wir ein berühmtes chinesisches Weltkulturerbe, die 600 Meter hohen Reisterrassen sehen wollen. In den kleinen Ortschaften herrscht rege Bautätigkeit, es fährt kaum noch jemand mit dem Fahrrad und eine Maokluft – blauer Drillich mit Schiebermütze - haben wir nur ein einziges Mal an einem uralten Greis zu Gesicht bekommen, der Wandel mit seinen gewaltigen wirtschaftlichen Umwälzungen hat in den letzten 25 Jahren kaum etwas vom alten China übrig gelassen.

Nach zwei Stunden Fahrt für knapp 90 Kilometer ist die Straße plötzlich zu Ende, wir müssen raus aus dem bequemen Gefährt und eine 35-minütige Wanderung in Angriff nehmen, die uns ordentlich schnaufen lässt, weil es über holprige und steile Treppen stetig bergauf geht. Wenigstens müssen wir unsere zwei Bordcases - der Koffer bleibt im Tal, weil nur befördert wird, was in einen Tragekorb passt - nicht selber schleppen, das übernehmen zwei kräftige Yao Frauen für jeweils Yüan 30 pro Gepäcksstück, also etwas mehr als sieben Euro. Sogar in einer Sänfte hätte man sich bergwärts tragen lassen können, das liebend Weib hat ob ihrer Fußfaulheit kurz damit spekuliert, dann aber doch weniger aus Geiz als aus Verlegenheit abgelehnt.

Endlich haben wir nach mehrmaligem Rasten und Luftholen zu unserem Hotel Li An gefunden, das einem Amerikaner gehört, der kunstvolle Fotografien der Landschaften um Guilin angefertigt hat und von der zauberhaften Szenerie so beeindruckt war, dass er sich hier niedergelassen und auch gleich ein geschmackvoll eingerichtetes, kleines Hotel errichtet hat.
Von unserem Zimmer haben wir zwar einen prachtvollen Ausblick auf einen Teil der in steilstem Gelände angelegten, Jahrhunderte alten Terrassen, aber um den 360° Prachtblick auf das gesamte Tal genießen zu können, müssen wir noch einmal steile Treppen bis zum Gipfelplateau rauf, nach weiteren 15 Minuten haben wir es schließlich geschafft und werden vom unglaublichen Panorama für die Aufstiegsmühen reichlich entschädigt.

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Beim Wiederabstieg zum Hotel schlackern schon ein wenig die Knie, aber wenigstens haben wir uns keinen Muskelkater eingefangen. In der off season sind wir die einzigen Gäste, für uns wird extra von einem vierköpfigen Damenteam gekocht, jede bereitet genau einen Gang zu. Nach einer Suppe gibt es für uns zwei knackige Gemüseteller aus dem Wok und zwei weitere mit Hühnerfleisch und etwas flachsigem Schweinefleisch, dazu Klebreis und gut gewürzte Saucen, ein Bier und zwei inkludierte Gläser vom roten „Great Wall Cabernet“ komplettieren das üppige Mahl für Yüan 150 (ca. € 21 pro Person, dann fallen wir ziemlich geschafft in die äußerst bequemen Betten.

Guilin

Zeitig früh geht es los, unsere beiden Trägerinnen vom Vortag warten schon auf uns. Bergab sind wir bald am Parkplatz, dann geht es die unzähligen Serpentinen wieder runter bis ins Tal, nach dreieinhalb Stunden Fahrt landen wir endlich am Li Fluss in der Stadt Yangxi. Hier besteigen wir nicht wie beim ersten Mal einen Dampfer für 100 Passagiere, sondern ein „Bambusfloß“ mit einem schwachen Außenborder für Flachgewässer, das jetzt aus pflegeleichtem Polyvinylchlorid besteht, mit zwei Sitzbänken für maximal vier Personen bestückt ist und wesentlich ruhiger im Wasser liegt. Wir knattern bei Traumwetter gemächlich mit maximal drei Knoten flussabwärts und genießen den Zauber dieser magischen Landschaft mit den typischen fantastisch geformten und bis zu den Gipfeln dicht bewaldeten Karstbergen. Haben wir zuletzt noch viele Kormoranfischer auf dem Li gesehen, begegnet uns auf dieser zweistündigen Fahrt nur ein einziger: die spezielle Fangmethode für Flusswelse erledigen nämlich dressierte Kormorane, denen der Kragen künstlich verengt wird, sodass sie zwar kleine Fische schlucken können, die großen aber dem Herrchen abliefern müssen....

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In Yangzhou ist die Flussfahrt zu Ende, wir spazieren noch durch den Markt, bevor wir im etwas außerhalb gelegenen Yangzhou Resort untergebracht werden, das beste Zimmer dort hat einen Balkon mit Liegebetten und Blick auf den Yang Fluss, eine riesige Wanne mitten im Raum und die härtesten Betten, die wir im Verlauf dieser Rundreise bisher hatten. Selbst meine erste chinesische Massage, die eine geschlagene Stunde dauerte und von den Augäpfeln bis zur Achillessehne fast alle Körperregionen einschloss, brachte wenig Linderung. Beim Abendessen dauert es eine Weile bis das für ein Fünfsternehaus eklatant sprachunkundige Personal mitbekommt, dass wir nicht zu einer Gruppe von Tagungsteilnehmern, die dort ihr Essen mittels Bon bekommen, gehören. Das führt dazu, dass wir statt eines ohnehin mit Fingertippen auf der Weinkarte georderten australischen Chardonnays einen Moscato bekommen, wieder muss die Weinkarte her und beim zweiten Anlauf klappt es endlich. Beim Frühstück am Morgen stellt sich der Eierkoch - diesmal habe ich meinen Wunsch schon gevift mit klaren Handzeichen begleitet - stur dagegen, mir ein Omelett mit den bereit stehenden Zutaten zu machen, er will lieber seine harten und ausgekühlten Spiegeleier loswerden, diesmal kapiert wenigstens der Manager meinen Wunsch und veranlasst die prompte Umsetzung.

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das liebend Weib erhält Instruktionen zum Sojamahlen
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die alten Leute am Land wohnen neben dem Sarg, in dem sie einmal ruhen werden

Auch in Kunming, der Sieben-Millionen-Metropole der Südwestprovinz Yünnan, in die wir am Nachmittag nach einer interessanten Fahrt durch viele kleine Dörfer wieder mit China Southern geflogen waren, ist im feudalen Green Lake Hotel zwar die Rezeption mit einem gut Englisch sprechenden jungen Mann besetzt, die Belegschaft inklusive Manager im japanischen Restaurant aber komplett blank und schon bei einfachsten Fragen beim Bestellen von Lachssashimi, Krabbenrolle und Tempuragarnelen total überfordert, es muss ein Mädchen aus einem anderen Restaurant geholt werden, um unsere simple Bestellung aufzunehmen. Als es dann in der Reihenfolge der Gerichte einen weiteren Fehler gibt, bleibt dann nur mehr die Resignation als ein Kellner nach unserer Reklamation auf einen Bestellzettel mit ausschließlich chinesischen Schriftzeichen verweist!

Die Hauptattraktionen rund um Kunming sind neben den Western Hills mit ihren unzähligen Höhlen die Honghe Reisterrassen, die zwar nicht so steil wie die besuchten in Longsheng sind, aber viel ausgedehnter, wobei gleich ganze Hügelketten von Paddies überzogen sind. Wir aber machen uns in den Steinwald auf, eine Formation von Millionen Jahre alten Karstgebilden aus dem Perm, die aus der Entfernung wie unzählige versteinerte Bäume aussehen. Da Samstag ist, sind auch viele Einheimische im Stone Forest unterwegs, die sich Kostüme der regionalen Stämme ausborgen und damit vor den attraktivsten Karstformationen ablichten lassen. Folkloregruppen in prächtigen Kostümen tanzen zur Musikbegleitung mit ungewohnten Instrumenten. Als ich nach unserer Runde durch den Steinwald ein Bedürfnis verspürte, führte mich Jing, unser weiblicher Guide zum WC, das neben einer Vielzahl der üblichen Hockabtritte auch zwei westliche „Töpfe“ zum Draufsitzen hatte, wie üblich natürlich ohne Papier und ohne Seife an den Waschtischen, die denken sich wohl, wenn schon die Langnasen unbedingt sitzen müssen, dann sollen sie auch selbst für die benötigten Reinigungsmittel sorgen....

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Zurück in Kunming erwartet uns zur Mittagszeit ein ordentlicher Stau, unser Fahrer muss spezielle Umwege wählen, um uns zu einem der wenigen erhaltenen alten Gebäude im Zentrum zu bringen, dem über 300 Jahre alten Yuantong Tempel - das stufenförmig angelegte Heiligtum um einen kleinen See dient der Verehrung gleich mehrerer Buddhavarianten, besteht aus prachtvollen Bauten, die mit farbenprächtigen Holzschnitzereien und Statuen ausgestattet sind, die Dachfirste sind mit allerlei kleinen Kriegern bestückt, die wohl Unheil abhalten sollen, wir sehen auch erstmals riesige Drachen, die als Machtsymbol des Herrschers neben die Buddhas platziert wurden. Die Gläubigen pilgern von einem Tempel zum nächsten, vollführen mit ihren Räucherstäbchen auf den Betschemeln jeweils drei tiefe Verneigungen und geben eine Spende in die dafür vorgesehene Box.

Anschließend kehren wir in noch immer dichten Verkehr in unser Hotel am grünen See zurück und beobachten bei der Anfahrt tausende fröhliche Einheimische, die den freien Tag mit einer Bootsfahrt auf dem See, einem Picknick im Park oder einem Spaziergang mit der Familie nützen.

Am Abend stürzen wir uns nochmal ins Abenteuer Essen in China, das so genannte Western Style Restaurant, wo wir auch schon das Frühstücksbuffet vorgefunden haben, hat thailändischen Hot Pot annonciert, das relativ günstige Angebot von Yüan 330 für 2 Personen inklusive Thai-Bier reizt uns schon mal als Abwechslung nach den unguten jüngsten Erfahrungen mit der sauteuren japanischen Küche, wo wir für vier Tunstückchen, eine rohe, rote Garnele und zwei Tempurashrimpsteller fast 900 Yüan (€ 130) zahlen mussten - das Ganze noch ohne teuren Sake oder sonstige Alkoholika!
Aus dem Hotpot ist dann doch was anderes geworden, als der Rezeptionist endlich klären konnte, was da inkludiert war: ein Süppchen, ein Sushi, eine Obst(!)pizza und das Bier.....schließlich einigten wir uns auf eine scharfe Tom Ka Gai, Seafoodpenne und Riesengarnelen im Cajun Style, dazu schmeckte ein Chilene aus dem Valle Central, die Kosten blieben trotz des Weins weit unter dem japanischen Mahl.

Bevor wir mit dem Flieger der „Lucky Air“ nach Hangzhou aufbrechen besuchen wir noch die Western Hills, eine beliebte Ausflugsgegend am Rande des Riesensees Dianchi, der die Stadt im Westen und Süden einschließt. Man fährt zuerst einige Serpentinen bergan, passiert das Dragon´s Gate, das bei den abergläubischen Einheimischen besonders gern vor schweren Prüfungen und schicksalshaften Lebensentscheidungen aufgesucht wird, bevor man in einen 3 Kilometer langen Sessellift umsteigt, der einen zu den im 18. Jahrhundert von taoistischen Mönchen aus der Steilwand gehauten Treppen, Grotten und Tempel bringt. Die Aussicht auf die Skyline von Kunming und den 313 km² großen See ist überwältigend. Nach dem Abstieg über hunderte Stufen wartet schließlich ein Elektrofahrzeug, dass einen zur Busendstelle bringt, bei der Abfahrt zum Flughafen sehen wir noch die Riesenbaustelle des zukünftigen Endbahnhofes der Ost-West Metrolinie.
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ville
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Re: China

Beitrag von ville »

Vielen Dank, pichichi , Klasse Bericht!

Wunderbar beschrieben, was du in diesem fasziniernden Land gesehen und erlebt hast. Großes Lob von meiner Seite !! Da kommt hoffentlich noch mehr davon....

LG ville
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(wusste bereits Augustinus Aurelius, 354 – 430, Philosoph)
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Re: China

Beitrag von nixwielos »

ville hat geschrieben:Vielen Dank, pichichi , Klasse Bericht!

Wunderbar beschrieben, was du in diesem fasziniernden Land gesehen und erlebt hast. Großes Lob von meiner Seite !! Da kommt hoffentlich noch mehr davon....

LG ville
Dito, lieber Herbert, ville hat den Nagel auf den Kopf getroffen >:d<
Viele Grüße von Nicole und Stefan!
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Re: China

Beitrag von Florecilla »

Was soll man da noch sagen ... außer sich den Vorrednern anzuschließen :)

Toller Bericht und vielen Dank fürs Mitnehmen. So kann ich mich zumindest virtuell an deine Fersen heften, bereisen werde ich China in meinem jetzigen Leben wohl nicht ...
Saludos,
Florecilla (Margit)


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Oliva B.
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Re: China

Beitrag von Oliva B. »

Reiseberichte habe ich "verschlungen", sobald ich lesen konnte. Diese Liebe ist mir erhalten geblieben, genauso wie die Lust auf Reisen in ferne Länder. Deshalb lese ich auch so begeistert alles, was in dieser Rubrik erscheint.

Auch wenn es mich nach China genauso wenig zieht wie in andere Länder, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen, lese ich diese Berichte genauso gerne, besonders wenn sie so vorzüglich beschrieben werden wie hier.

Herbert, ihr seid dieses Mal wieder mit einem Private Guide unterwegs gewesen. Über euren Erstbesuch schreibst du, dass ihr damals "noch als Gruppenreisende" das Land kennen gelernt habt. Ich habe mal deshalb eine Frage: Welche Vorzüge bietet solch eine Individualreise gegenüber einer kleinen Gruppenreise? Ist Letztere nicht interessanter, da sie neben dem informellen Teil auch noch den kurzweiligen Austausch mit anderen Mitreisenden bietet? :-?
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Oliva B.
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Re: China

Beitrag von Oliva B. »

Reiseberichte habe ich "verschlungen", sobald ich lesen konnte. Diese Liebe ist mir erhalten geblieben, genauso wie die Lust auf Reisen in ferne Länder. Deshalb lese ich auch so begeistert alles, was in dieser Rubrik erscheint.

Auch wenn es mich nach China genauso wenig zieht wie in andere Länder, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen, lese ich diese Berichte genauso gerne, besonders wenn sie so vorzüglich beschrieben werden wie hier.

Herbert, ihr seid dieses Mal wieder mit einem Private Guide unterwegs gewesen. Über euren Erstbesuch schreibst du, dass ihr damals "noch als Gruppenreisende" das Land kennen gelernt habt. Ich habe mal deshalb eine Frage: Welche Vorzüge bietet solch eine Individualreise gegenüber einer kleinen Gruppenreise? Ist Letztere nicht interessanter, da sie neben dem informellen Teil auch noch den kurzweiligen Austausch mit anderen Mitreisenden bietet? :-?
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Re: China

Beitrag von pichichi »

obwohl die Reise damals von Studiosus bestmöglich organisiert war, sogar mit einem Sinologen als Reiseleiter, war die Gruppe absolut unerträglich, da gab es alle Klischees: von den alle halben Stunden Pinklern, über fanatische Fotografierer, die jede Ecke 17-mal aufnehmen mussten, damit wenigstens ein brauchbares Foto übrig blieb bis zuletzt zwei argen alten Drachen, die dem armen Reiseleiter mit Sonderwünschen, für die sie nicht bezahlt hatten, ständig das Leben schwer machten, das Essen kritisierten, etc.

Leider konnte man damals nur in einer Gruppe einreisen und auf Grund der unguten Erfahrungen haben wir beschlossen, nur mehr individuell zu reisen, es kostet zwar mehr, aber man kann sein eigenes Programm machen oder auch Alternativen vorschlagen. So haben wir auf den Besuch einer Teefarm verzichtet, weil wir in Sri Lanka ohnehin eine gesehen hatten, dafür ging es auf einen Markt und in die viel interessantere Altstadt von Hangzhou.

Eine Ausnahme machten wir dann doch noch: bei der Japanreise vor fünf Jahren, weil dort ein Guide plus Auto plus Chauffeur extrem teuer gekommen wäre, aber auch bei dieser Reise waren wieder ungute Typen dabei, die uns jede Menge Zeit und Ärger gekostet haben, obwohl ein Gesprächsaustausch mit wenigen Mitreisenden durchaus erbaulich war...
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Re: China

Beitrag von pichichi »

Hangzhou

Die 5 Millionen Stadt Hangzhou empfängt uns mit dichtem Bodennebel und einer Luftverschmutzung, die der Shanghais und Pekings kaum nachsteht, schon um fünf Uhr nachmittags ist es finster, unser Fahrer aber bewältigt die 37 Kilometer ins Zentrum souverän und entlässt uns im gebuchten Sofitel am berühmten West Lake. Hier gibt es ein bescheidenes Mahl mit Lachssashimi, gebratener Gänseleber und nicht zuletzt Dalian-Abalones, der Alk-Fasttag lässt zum Essen diesmal nur Grüntee zu. Abends gibt es noch ein Telefonat mit meinem Hedonistenbruder, den wir genau um einen Tag verpasst haben und der sich nach ein paar Tagen Shanghai beruflich gerade in Beijing aufhält, wie zu erwarten bekommen wir gleich den Tipp, ins Four Seasons in Pudong essen zu gehen und einen grandiosen Merlot chinesischer Provenienz zu verkosten....

„Abby“ wie in „Dear Abby“, ihrer Lieblingsserie, will unser nächster weiblicher Guide genannt werden, der wir einen geplanten Besuch einer Teeplantage, die wir schon beim Ceylontrip zur Genüge studiert hatten, ausreden können, wir wollen viel lieber in die Altstadt und auf einen lebendigen Markt. Sie akzeptiert, doch davor müssen wir eine Bootsfahrt auf dem weltberühmten West Lake absolvieren und einen Tempel besuchen. Die Bootsfahrt erweist sich als mystisches Erlebnis, Nebel wabbern und schlucken alle Geräusche der eigenen Maschine und auch die der anderen Boote sowie die Konturen von Pagoden und der berühmten Brücke, die auf dem 1 Yüan Schein abgebildet ist. Bei der darauffolgenden Wanderung sehen wir unendliche Felder von abgeblühten Lotosknollen und erfahren von Abby, dass sich hier am 1. Oktober, dem nationalen Feiertag, gleich 2 Millionen Einheimische auf die Füßen treten...

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Es ist nur eine kurze Fahrt zum Flying Peak, eine mehr als 2400 Jahre alte Anlage außerhalb des Xiangji Tempelbezirks, wo man in den Karstfelsen gehauene Buddhafiguren, Reliefs und Inschriften bewundern kann, im Teich davor tummeln sich farbenprächtige Kois und Schildkröten, die von Besuchern mit dem Hintergedanken gefüttert werden, dass diese sie im Alter umsorgen würden.

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Auf den Markt in einer intakten Altstadt freuen wir uns immer, die alten Holzhäuser hier sind bis zu dreihundert Jahre alt und bergen Händler, Handwerker, kleine Restaurants und eine klassische chinesische Apotheke, die mit Bildern von Besuchen Teng Hsiao Pings und des gegenwärtigen Präsidenten Xi wirbt, wo allerlei aberwitzige Naturheilmittel zu teils ebensolchen Preisen verkauft werden. Abbys Schwester ist schwanger und bekommt statt eines Geldgeschenks „Bird´s Nest“, aus Vietnam und Indonesien importierter Speichel von Vögeln, der der speziellen Hautpflege dienen soll, ein winziges Stück der weißen Masse von wenigen Gramm kostet fast € 90, bei einem Durchschnittsverdienst von etwa € 500 – 700 ein erklecklicher Betrag, spinnen die Chinesen?

Abends essen wir im Jin Sha Restaurant des Four Seasons Hotels, die Fahrt dorthin in einem Taxi ist ein Irrsinn, der Typ scheint ein Frischluftfanatiker zu sein und das bei nur 4°, außerdem röchelt und spuckt er dauernd aus dem offenen Fenster und raucht ungerührt einen Lungentorpedo ohne Filter, zarte Reklamationen unsererseits stören ihn nicht im Geringsten! Das vom Bruder empfohlene Essen aber mit Crabmeat Soup, Scallops und Wagyu Beef mit einer halben Flasche Wirra Wirra aus Down Under war ebenso gut wie teuer.

Shanghai

Auf der Fahrt in die 24 Millionen Megalopolis Shanghai kommen wir am nächsten Morgen nach Xitang Watertown, eine Siedlung, deren gut erhaltene winzige Altstadthäuser an einem Kanal liegen. Bei eisigem Wind werden wir in einem gondelähnlichen, aber viel plumperen Gefährt ein Stück gerudert, bevor wir durch die Geschäftszone mit einem Knopfmuseum und vielen kleinen Essständen geführt werden.

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Auf einer zehnspurigen Autobahn fahren wir in die wirtschaftlich wichtigste Stadt Chinas ein und obwohl beim Eintreffen am Bund, der legendären Uferpromenade, erst früher Nachmittag ist, stauen sich die Autos auf den Hochstraßen gewaltig. Unser Quartier direkt am Huangpu ist das noble Peninsula, das zugeteilte Zimmer mit hochwertigster Ausstattung und Blick auf den großen Fluss Chinas ist grandios. Auf Empfehlung meines Bruders essen wir im Shan Xi im Four Seasons auf der anderen Seite des Flusses und sind mit der gebotenen klassischen Shanghai Küche sehr zufrieden. Bei der Heimfahrt sehen wir nach langer Zeit wieder ein paar Schneeflocken, im Vergleich zu Kunming und Guilin, die nicht viel weiter südlich liegen, ist es empfindlich kalt geworden...

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Am nächsten Morgen erwartet uns nach einem der angenehmeren Frühstückserlebnisse, bei dem man nicht an langen Buffets herumirren musste, sondern nach Lust und Laune von der Karte ordern konnte und das Omelett oder die Eggs Benedict mit norwegischem Lachs an den Tisch geliefert bekam, ein weiterer weiblicher Guide namens „Tracy“. Wir unterqueren wie am Vorabend den Huangpu auf der selben Strecke durch den Renmin Tunnel und treffen nach kurzer Fahrt am Jin Mao Tower ein, dessen Architektur ein wenig den chinesischen Pagoden nachempfunden ist. Mit einem superschnellen Lift sind wir in einer knappen halben Minute auf der 346 Meter hohen Aussichtsplattform angelangt und haben das Glück, dass wegen der meteorologischen Umstände nur geringer Smog herrscht und wir trotz Bewölkung eine passables 360° Panorama vorfinden. Wir können den Pearl Tower, das Shangri La auf der Pudong Seite gut erkennen, auf der Altstadtseite sehen wir am Bund das legendäre Peace Hotel, wo allabendlich eine Jazzband aufspielt und natürlich unser Peninsula am Zusammenfluss von Suzhou Creek und Huangpu. Etwas weiter weg vom Flussufer, wo sich die teuersten Appartementhäuser befinden, dehnen sich kommunale Wohnbauten soweit das Auge reicht.
In unmittelbarer Nachbarschaft hat man inzwischen weitere Highriser hochgezogen: der derogativ von den Einheimischen genannte Bottle Opener, ein japanisches Projekt, das umgeplant werden musste, weil die vorgesehene sonnenförmige Öffnung an der Spitze des Gebäudes nicht den lokalen Feng Shui Prinzipien entsprach, so dass sich die Auftraggeber aus dem nicht gerade heiß geliebten Nippon mit einer viereckigen Öffnung zufrieden geben mussten, die das gesamte Bauwerk frappant an einen Flaschenöffner erinnern lässt...

Dieses etwas höhere Gebäude als der Jin Mao hat natürlich den chinesischen Nationalstolz entfacht, gleich daneben die Japaner zu übertrumpfen, damit steht jetzt das höchste Gebäude Chinas, der Shanghai Tower, in Form eines sich in den Himmel windenden Drachens beherrschend über alle anderen Hochhäuser.

Nächster Stopp ist der Yu Yuan Garden - einen kontrastreicheren Gegensatz zur Betonwüste von Pudong kann man sich kaum vorstellen: hier gibt es einen Teich, mehrere Tempel, kostbar ausgestattete Empfangspavillons für Männer und weniger kostbare für Frauen, dazu passend breite und getrennte schmale Gehwege, Gärten mit Karststeinen, Koibecken und akkurat getrimmten Bonsais, eine Opernbühne für die privilegierte Besitzerfamilie, die sich nebenbei nach Lust und Laune in den feuchtheißen Sommern private Wasserfälle von einem Heer von Sklaven organisieren ließ, die mit zahlreichen Krügen hin und her laufend die kühlenden Kaskaden erzeugen mussten.

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Aus diesem so kontemplativen Bereich ins Freie tretend wird man mitten in die moderne Einkaufswelt der Nanjing Straße gestoßen, wo sich die üblichen Verdächtigen der internationalen Modelabels sowie Kosmetik-, Uhren & Schmuck- und Elektronikkonzerne drängeln. Am östlichen Ende dieser Shoppingmeile stößt man wieder auf den Bund, den wir ja von der Erstreise vor dreieinhalb Jahrzehnten als Exerzierplatz der damals noch in einheitlicher Maokluft Qui Gong praktizierenden Einheimischen in Erinnerung haben. Inzwischen hat man einen disneylandartigen Stollen unter den Fluss getrieben und auf dem gegenüber dem Straßenniveau erhöhten Bund treiben sich eher Touristen mit den unsäglichen Selfieteleskopen herum als Chinesen beim Frühsport. Wir schauen kurz auf den Fluss mit seinem steten Frachtkahnverkehr und beschließen die vormittägliche Exkursion, in dem wir die verbleibenden 500 Meter bis zum Hotel zu Fuß gehen und auf unser Fahrzeug verzichten.

Sir Elly´s – nach einem verstorbenen CEO der Gründerfamilie Kadoorie - nennt sich eines von den zwei Restaurants im 13. Stock des Peninsula, wo wir uns einen Tisch mit Prachtblick auf das nächtliche Shanghai reservieren haben lassen. Wir bekommen zwar einen nichtssagenden, weil ungewürzten Tofugruß aus der Küche, aber spätestens nach den beiden Vorspeisen Entenleber und hauchdünnem Carpaccio von Shrimps sind wir überzeugt, die etwas bessere Wahl im Vergleich zum Vortag getroffen zu haben, während wir den Hauptgang mit Jakobsmuscheln und das beste Wagyu Beef ever genießen, betrachten wir am Fluss schwach beleuchtete Kähne und grell bunt farbene Dinnercruise Boote. Zur Rechnung kommen noch zwei köstliche Makronen auf den Tisch, die im Herkunftsland nicht besser schmecken könnten. Nach diesem unübertrefflichen Erlebnis mit der klassischen cuisine francaise zurück im Zimmer drücken wir die Erfahrungen spontan dem noch in Peking weilenden Bruder meines Mannes per VOIP Gespräch aufs Aug...

Am nächsten Morgen steht eine Fahrt von der City in einen 37 Kilometer entfernten Vorort Shanghais auf dem Programm, wo wir eine weitere klassische Watertown vorfinden, das Wetter ist ungemütlich. Es nieselt bei nur drei Grad, daher sind wir froh, nach einem Rundgang wieder im warmen Buick zu sitzen und Richtung Bund zurückzufahren. Die ehemalige französische Konzession mit ihren Hutong ähnlichen Gässchen ist jetzt eine Fußgängerzone und ein mondänes Ausgehviertel mit Straßencafés, edlen Boutiquen und internationalen Restaurants. Auch hier ist das Bummeln ungemütlich und schon bald lechzen wir nach dem gewohnten heißen Bad in unserem Hotel.
Abends gönnen wir uns ein Essen im chinesischen Restaurant des Peninsula und werden ebenso verwöhnt wie am Abend zuvor.
Der letzte Tag in Mainland China beginnt mit einer Fahrt mit dem Maglev, der Magnetschwebebahn zum internationalen Flughafen Pudong (PVG). Wir haben ja schon einige Erfahrungen mit so genannten Bullett Trains gesammelt, von Spaniens AVE, über Frankreichs TGV bis zum Shinkansen in Japan, die Krone setzt aber dieser Zug allem auf, der in nur sieben Minuten mit bis zu 431 kmh von Shanghais Longyan Street Station für Yüan 50-100 zum Airport braust.

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