nixwielos hat geschrieben:Viel Spaß Euch Beiden
Danke, den hatten wir.
Nachdem wir im letzten Jahr auf den Karibikinseln Antigua und Barbuda waren, ging unsere diesjährige Fernreise nach Sansibar. In beiden Ländern stammt die Bevölkerung von ehemaligen Sklaven aus Schwarzafrika ab, jedoch mit dem Unterschied, dass in dem Karibikstaat zu 88,9 % Christen und auf Sansibar zu 99 % sunnitische Muslime *) leben, während sich im nur 35 km entfernten tansanischen Festland nur 35 Prozent der Bevölkerung zum Islam bekennen. An den unterschiedlichen Glaubensrichtungen sind die ehemaligen Kolonialherren schuld, deren Religion die Sklaven annehmen mussten; auf Sansibar waren die arabischen Händler und das Sultanat Oman prägend.
Erst 1907 waren die Sansibaris auch auf dem Papier von den Fesseln der Sklaverei **) befreit. Diese späte Entwicklung zur Selbständigkeit wirkt sich bis heute auf die rückständige Wirtschaft des Landes und die Lebensumstände der Menschen aus. Sansibar gehört zu den 50 ärmsten Ländern der Erde.
Religiöse Anschläge gegen Kirchen, Säureattentate auf Priester und gewalttätige Demonstrationen bestimmten im letzten Jahr die Schlagzeilen über Sansibar. Trotzdem hatten wir zu keiner Zeit das Gefühl, verbohrten, fanatischen Muslimen zu begegnen.
Selbstverständlich prägt der Islam mit seiner Kleiderordnung (Verschleierung der Frauen) das Straßenbild auf Sansibar:
Den traditionellen schwarzen, islamischen Frauenmantel (bui bui), bei dem die dazugehörige Kopfbedeckung nur noch die Augen frei lässt, haben wir hauptsächlich in der Hauptstadt gesehen. Das sieht besonders seltsam aus, wenn aus dem ganzen Schwarz nur eine
raus schaut.
Anmerkung: Ich wollte euch eine möglichst breite Palette der Kleidungsstücke zeigen, dadurch sind die Fotos etwas zu klein geraten. Vergrößern könnt ihr sie, wenn ihr die Fotos anklickt.
Häufiger dagegen sieht man Männer in ihren knöchellangen weißen Kanzus (das Gegenstück des bui bui für den Mann), die meisten kleiden sich aber nach westlichem Vorbild mit Hemd und Hose.
Viele Männer und Jungen haben einen runden Hut (Kofia/Kufi) auf, der in Ostafrika und auch nach den Regeln des Islam getragen wird.
Selbstbewusst tragen die meisten Frauen in Sansibar die in Ostafrika für Frauen übliche farbenfrohe Kanga. Ihr Gesicht verstecken sie unter dem Kopftuch, sobald sie sich von Fremden beobachtet fühlen.
Für Mädchen ist eine Kopfbedeckung spätestens ab dem 13. Lebensjahr obligatorisch, in den Schulen und auf der Universität gehört sie zur Uniform.
Vielleicht sollte man sich in puncto Kopftuch auch ein wenig von dem westlichen Kopftücher-Vorurteil lösen, das für viele Christen immer noch ein Zeichen der Unterdrückung der Frauen im Islam darstellt. Frauen finden hinter ihrem Schleier Schutz vor zudringlichen Blicken und Belästigungen, vielleicht der einzige Privatbereich, denn im eigenen beengten Wohnumfeld haben sie ihn meistens nicht. Sie tragen ihre Kopfbedeckung voller Stolz und Würde.
Wie schon öfter in arabischen Ländern beobachtet, sind die muslimischen Männer den Reizen gegenüber anderen Frauen nicht immun, sondern holen sich ihren Kick lieber außerhalb ihrer eignen vier Wände. Z.B. sind auf Sansibar viele Taxis mit einem DVD-Player ausgestattet. Während der Fahrt schielt der Fahrer mit einem Auge auf die Straße, das andere ist auf die flimmernden Musikvideos gerichtet, wo schmachtende, leicht bekleideten Frauen mit eindeutigen Gesten den Sänger umwerben. Als Kulisse dient eine schwüle Haremswelt mit Luxusartikel wie Juwelen, Designerkleidung, teuren Kosmetikartikeln und Kunstgegenständen. Ich frage mich, was sie beim Betrachter in einem Land auslösen, das so rückständig ist wie Sansibar, einem Land, in dem sich die Menschen dem Bilderverbot des Islam verpflichtet fühlen... Sansibaris lehnen aus religiösen Gründen die bildliche Darstellung von Menschen ab. Nahaufnahmen habe ich deshalb nur mit Erlaubnis gemacht (die ich nicht oft bekommen habe), davon zeugen die teilweise unscharfen Fotos, Vergrößerungen von Aufnahmen, die ich mit dem Teleobjektiv gemacht habe, um keine Aggressionen aufkommen zu lassen. Schon die Kleinsten werden von den Älteren angehalten ihr Gesicht zu verbergen, sobald sich ihnen Weiße mit einer Kamera nähern.
Wer nach Ostafrika fliegt, sucht keine kulturellen Highlights nach westlichem Kriterien. Hier ist die Kultur durch die ethnische Entwicklung und vor allen Dingen durch die Kolonialgeschichte, durch die Sklaverei geprägt. Die unterdrückten Menschen sollten nicht denken, sondern arbeiten. Daneben blieb keine Zeit für persönliche Entfaltung und Kunst.
Auf Sansibar wie auf den anderen Inseln im Indischen Ozean ist es vielmehr die tropische Tier- und Pflanzenwelt mit ihrem Artenreichtum, die uns immer wieder in ihren Bann zieht, genauso wie die einsamen weißen, von Kokospalmen gesäumten Sandstrände. Wer einen reinen Strandurlaub auf Sansibar verleben möchte, wird sicher nicht enttäuscht werden, aber die Insel bietet noch sehr viel mehr.
Monika hat bereits über die Spice-Tour und Stone-Town berichtet. Ich möchte nach und nach ihre Reisebericht etwas ergänzen und euch zeigen, wie und wovon die Sansibaris leben und wie zufrieden vor allen Dingen die Kinder trotz aller Armut auf uns wirkten.
Wer Lust hat, kann mich gerne weiterhin begleiten.
- *) Ein Vergleich zu den benachbarten, Ostafrika vorgelagerten Inseln zeigt deutliche ethnische und religiöse Unterschiede zu Sansibar auf.
So leben auf der Vulkaninsel La Réunion und der Inselgruppe der Seychellen vorwiegend christliche Nachkommen von Kolonialherren und ehemaligen Sklaven sowie Minderheiten asiatischer Herkunft,
auf Mauritius haben sogar zwei Drittel der Bevölkerung Wurzeln auf dem indischen Subkontinent und gehören zur Hälfte dem Hinduismus an,
während auf Madagaskar sogar über die Hälfte der Bevölkerung noch indigenen Religionen anhängen.
**) Das britische Kolonialreich ließ am 1. August 1834 alle Sklaven frei,
Frankreich am 27. April 1848,
die Vereinigten Staaten 1863,
das portugiesische Imperium 1869,
Sansibar folgte erst 1897. Doch es dauerte weitere zehn Jahre, bis sie auch auf dem Papier endlich frei waren.